Ein weißer Pfeil, der nach rechts zeigt und auf dem steht Jahrmarkttheater. © Katrin Schwier / NDR Foto: Katrin Schwier / NDR

Bostelwiebeck: Ein Ort mit 50 Einwohnern und einem Theater

Stand: 21.07.2023 06:46 Uhr

Das Jahrmarkttheater Bostelwiebeck ist kein Laientheater, sondern spielt professionell, allerdings immer nur für 100 Gäste. Wie funktioniert das?

von Katrin Schwier

Bei Theater denkt man an große Säle mit Plüschsesseln und einem schweren roten Samtvorhang. Theater geht aber auch ganz anders, nicht in der großen Stadt, sondern auf dem Dorf, zum Beispiel in Bostelwiebeck, einem idyllischen Dorf zwischen Lüneburg und Uelzen. 45 Menschen leben hier, es gibt einen Gasthof, einen Pferdebetrieb und ein Theater: Das Jahrmarkttheater, gegründet 2008, ein professionelles, freies Theater. Die aktuelle Premiere: "Die Spur des Verschwindens".

Bostelwiebeck: 45 Seelendorf im Landkreis Uelzen

Eine kleine holprige Straße führt nach Bostelwiebeck hinein. Es ist ruhig in dem 45 Seelendorf im Landkreis Uelzen. Hühner gackern in den Gärten, um das Dorf herum liegen Felder. Am Eingang zu einem Ensemble mit Wohnhaus und ehemaligem Stall prangt ein pinkes Banner. Es kündigt in großen Buchstaben das Stück "Die Spur des Verschwindens" an. Im Innenbereich des Hofes, unter mächtigen Bäumen und einem großen weißen Sonnensegel stehen einige Bierzeltgarnituren. Hier soll der Theaterabend beginnen. Noch laufen die Proben.

"Die Spur des Verschwindens" ist eine Zeitreise

Ein Mann steht auf einer Wiese, hinter ihm ist ein großes weißes Zelt gespannt. © Katrin Schwier / NDR Foto: Katrin Schwier / NDR
Theaterleiter Thomas Matschoß vor der Theaterwiese

Es geht um eine Zeitreise. Das Stück spielt im Jahre 2367. Die Darsteller*innen und Gäste des Theaters reisen zurück in die Vergangenheit, ins Jahr 2023, also unsere Gegenwart. Die Theaterbesucher*innen landen in einem Museum, in dem Dinge aus dem Jahr 2023 ausgestellt sind. Dinge, die in der Zukunft verschwunden sein werden, zum Beispiel viele Blumenarten, sagt Theaterleiter Thomas Matschoß : "Mit einem leicht verfremdenden Blick sieht man unser alltägliches Leben, unsere komplexen Weltverhältnisse, unsere Versuche damit umzugehen, das ist sehr oft sehr unterhaltsam, finde ich und sehr oft sehr berührend." Die Grenzen zwischen Schauspieler*innen und Zuschauer*innen verwischen. Die Theaterbesucher*innen werden in das Stück mit eingebunden.

"Die Spur des Verschwindens" hat das Ensemble des Jahrmarktheaters selbst entwickelt. Die Grundidee dazu stammt von Theaterleiter Matschoß: "Ausgangspunkt war die Wahrnehmung, dass unsere Welt von Tag zu Tag komplexer wird, dass sich viele Dinge sehr schnell verändern, und dass viele Dinge verschwinden. Daraus haben wir dieses Stück gebaut." Es tauchten viele Themen auf, alles was mit Klimaveränderung und Artensterben zu tun habe. Aber auf eine spielerische Art und Weise. "Mit dem Abstand von 300 Jahren kann man da auch schmunzeln.", sagt der Theaterleiter.

Theaterstück unter freiem Himmel

Gespielt wird unter freiem Himmel, unter prächtigen Bäumen. "Es gibt acht Stationen, wir haben überall Klapphocker aufgebaut. Sonst musste man bei uns sehr oft den Stuhl selber tragen. Das ist diesmal nicht so. Wir haben an allen Orten für Sitzgelegenheiten gesorgt." Nur wenn es regnet, findet das Schauspiel im Innenraum statt, in einem Kuhstall, der zu einem Theaterraum umgebaut wurde. Elf Schauspieler wirken mit. Dazu Kostümbildner, Techniker und Mitarbeiter in der Gastronomie, zusammen sind es 30 Personen.

Schauspieler*innen kommen aus Australien, Italien und der Ukraine

Die Arbeit an dem Stück ist anders als an herkömmlichen Theatern. Intensiver: Das Team wohnt sechs Wochen lang zusammen auf dem Hof von Theatergründer Thomas Matschoß und auch im Nachbarort. Geprobt wird von morgens bis abends. Die Darsteller kommen teilweise von weit her. Mit dabei sind Schauspieler aus Australien, Italien und der Ukraine. Andrii Vanieiev ist mit Beginn des Ukraine-Krieges nach Deutschland gekommen. Für ihn ist die Arbeit im Jahrmarkttheater viel mehr als ein Job: "Ich bin so glücklich, dass ich Teil des Teams bin. Das Team ist so aufgeschlossen. Ich fühle mich zu Hause, wie bei meinen Eltern."

Jahrmarkttheater hat bereits Fans in Berlin

Zwölfmal wird das Stück "Die Spur des Vergessens" in Bostelwiebeck aufgeführt. 100 Zuschauer können jeweils kommen. Sorgen, dass sich die Besucher*innen nicht die Mühe machen, in das Mini Dorf zwischen Lüneburg und Uelzen zu kommen, hat Theaterleiter Matschoß nicht. Im Gegenteil. Die ersten Vorstellungen sind schon ausverkauft. Viele Gäste kommen aus der Umgebung, sagt Matschoß, zum Beispiel aus Uelzen und Lüneburg, die beide Städte liegen etwa eine halbe Stunde Autofahrt entfernt. Es gebe aber auch einen großen Fankreis des Jahrmarkttheater, der die Produktionen seit der Gründung im Jahr 2008 begleitet, sagt Matschoß: "Die kommen aus Elmshorn, Hamburg, Hannover und aus Bremen."

Die Arbeit von Thomas Matschoß und seinem Team hat sich auch bis nach Berlin herumgesprochen. 2021 wurde das Jahrmarkttheater in Bostelwiebeck mit dem Theaterpreis des Bundes ausgezeichnet. In der Begründung heißt es: "Seit das Jahrmarkttheater in Bostelwiebeck arbeitet, wird dieses Dorf zu einem Ort, an dem überregional relevantes Theater geprobt, aufgeführt, angeschaut und diskutiert wird."

Jahrmarkttheater ist kein Hobbytheater

Ein weiterer Beweis dafür: Ein Hobbytheater ist das Jahrmarkttheater nicht, sagt Matschoß: "Wir sind ein total professionelles Theater. Wir halten die Grenzen des Mindestlohnes ein, liegen teilweise darüber und wir werden gefördert. Auch aus dem Publikum denken manche: 'Das ist ja ganz toll, für Laientheater unglaublich', aber wir sind kein Hobbytheater."

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Bostelwiebeck: Ein Ort mit 50 Einwohnern und einem Theater

Das Jahrmarkttheater Bostelwiebeck ist kein Laientheater, sondern spielt professionell, allerdings immer nur für 100 Gäste.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Jahrmarkttheater Bostelwiebeck
Bostelwiebeck 24
29575  Altenmedingen
Telefon:
05807 979971
E-Mail:
kontakt@jahrmarkttheater.de
Preis:
20 Euro
Kartenverkauf:
20 € / 15 €* open Air in Bostelwiebeck
*Schüler:innen, Studierende, Azubis, BuFDis, Arbeitsuchende, Schwerbehinderte
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 21.07.2023 | 06:40 Uhr

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