"Wildhonig": Spannender Roman über das Schicksal von Transmenschen
Der Roman "Wildhonig" von Jodi Picoult und Jennifer Finney Boylan erzählt von der Imkerei. Es ist eine Naturgeschichte darin verwoben, aber hauptsächlich geht es um ein Familiendrama, das vor Gericht landet.
Die beiden Autorinnen Jodi Picoult und Jennifer Finney Boylan müssen sich mit etlichen, sehr komplexen Sachgebieten für diesen Roman gründlich beschäftigt haben. Eine der beiden weiblichen Hauptfiguren heißt Olivia und ist Imkerin. Wir begleiten sie bei der Arbeit und lernen etwas über das Sozialleben im Bienenstock:
Zu meiner Überraschung entdecke ich ein paar Drohnen - männliche Bienen mit ihren dicken Köpfen und riesigen Augen und ihren Hubschraubergeräuschen. Zu dieser Jahreszeit sind sie meist schon verschwunden. Ihr einziger Daseinszweck ist es, im Frühjahr die Königin zu befruchten und danach zu sterben. In Erwartung ihrer großen Orgie unternehmen sie Übungsfluge, das Warm-up der Bienen. Doch sie sammeln weder Pollen noch Nektar, dürfen sich aber jederzeit daran bedienen. Auch an der Wachsproduktion beteiligen sie sich nicht. Säubern tun sie ebenso wenig. Leseprobe
Ein Alptraum beginnt
Olivia war verheiratet mit einem gutaussehenden, charmanten Herzchirurgen, der allerdings nur nach außen so liebenswürdig wirkte. Er war machtbesessen, narzisstisch gestört und manipulativ. Sie ist vor diesem gewalttätigen Ehemann geflohen, als ihr Sohn Asher noch klein war und anfing, seine Mutter vor den Schlägen des Vaters beschützen zu wollen. Jetzt ist Asher ein junger Mann geworden, zum ersten Mal richtig verliebt in Lily. Unvermutet ruft er nachts bei seiner Mutter an und sagt, Lily sei tot. Für die Polizei sieht es so aus, als habe Asher sie die Treppe heruntergestoßen. Asher wird des Mordes oder Totschlags bezichtigt und landet vor dem Untersuchungsrichter, der verkündet:
"Der Angeklagte kommt zurück in Untersuchungshaft, bis und sofern die Kaution entrichtet werden kann", sagt der Richter und bekräftigt seine Worte mit dem Richterhammer. "Der Nächste?" Es geschieht alles ganz schnell. Leseprobe
Asher erlebt in Untersuchungshaft schlimme Gewalttätigkeit. Auch die Gerichtsverhandlung ist ein Alptraum. Alles wird zu seinen Ungunsten ausgelegt und jedes frühere Fehlverhalten eines Teenagers dient als Beweis für seine Schuld. Selbst seine Mutter Olivia fürchtet, er könnte eine Neigung zur Gewalttätigkeit von seinem Vater geerbt haben.
"Transmenschen werden in diesem Land immer wieder getötet"
Während der Gerichtsverhandlung kommt heraus, dass die getötete Lily eine Transfrau war. Sie kam als Liam zur Welt, und ihr Vater hat sich seit ihrer Entscheidung, als Mädchen weiterzuleben, komplett von ihr abgewendet. Mit 17 Jahren hat sie eine Umwandlung durch eine Operation vornehmen lassen. Nicht nur Lilys, sondern überhaupt das Schicksal von Menschen, die eine solche Entscheidung treffen, ist ein wichtiges Thema in diesem Roman.
Transmenschen werden in diesem Land immer wieder getötet. Und zwar nicht, weil sie ihre Identität für sich behalten haben. Sie werden umgebracht, weil ein anderer dahinterkommt. Und so unglaublich es klingt, an manchen Gerichten wird Homophobie - oder Transphobie - noch immer als Verteidigungsstrategie erlaubt, um das Morden zu rechtfertigen. Als wäre die Tötung eines anderen Menschen verständlicher, nur weil dieser transgender ist. Leseprobe
"Wildhonig": Eindrucksvoller Roman
Besonders die Passagen in dem Roman, die von einem Kind handeln, das mit dem falschen Geschlecht zur Welt kam, sind wirklich stark. Wer bisher vielleicht noch Vorurteile hat und wenig Verständnis aufbringen mag für Probleme von Transmenschen, wird seine Einstellung mit der Lektüre dieses ausgesprochen spannend inszenierten, liebevoll geschriebenen Romans ändern. Man kann dieses Buch nicht so verlassen, wie man es lesend begonnen hat. Das ist sehr eindrucksvoll.
Wildhonig
- Seitenzahl:
- 560 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Amerikanischen von Elfriede Peschel
- Verlag:
- C. Bertelsmann
- Bestellnummer:
- 978-3-570-10420-0
- Preis:
- 18 €