Roman "Pineapple Street": Chancen und Nöte moderner Familien
Viele Kritiker waren von Jenny Jacksons Debütroman begeistert und meinten, es wirke, als habe Jane Austen in der heutigen Zeit geschrieben. Tatsächlich ist der Autorin eine kluge, unterhaltsame Gesellschaftsanalyse gelungen.
Wie heißt es so schön bei der Beschreibung so mancher misslicher Umstände? Deine Sorgen hätte ich gern und dazu Rockefellers Geld! In diesem Roman verfügen alle Hauptpersonen über Geld wie Rockefeller und haben gleichwohl - so scheint es - ähnlich viele Sorgen wie Menschen, die um ihr Überleben kämpfen müssen. Die Geschichte der Familie Stockton lässt sich bis zur Ankunft der Mayflower an der Ostküste Amerikas zurückverfolgen. Man ist erfolgreich im Immobiliengeschäft und besitzt ein Milliardenvermögen. Darley, eine der beiden Töchter, stellt im Gespräch mit ihrer Schwägerin Sasha fest:
"So viele Leute wollen ins Bankgeschäft und haben tolle Pläne, wie sie das große Geld machen und mit dreißig aufhören können, aber egal, wie viel Kohle sie schon haben - es könnte immer noch mehr werden, wenn sie weitermachen. Der Zeitpunkt, an dem sie sagen: Jetzt habe ich zehn Millionen und das reicht, der kommt einfach nie." Leseprobe
Der anstrengende Alltag mit Kindern
Wichtig in diesem süffig geschriebenen Roman sind vor allem die Frauenfiguren. Tilda ist Mutter, Schwiegermutter und Großmutter und hauptberuflich mit dem Vorbereiten von Gesellschaftsevents beschäftigt. Ihre Tochter Georgina ist das Nesthäkchen und hat sich unsterblich in einen verheirateten Mann verliebt. Ihre Schwiegertochter Sasha ist aus Sicht der Familie nicht standesgemäß, weigerte sich aber, einen Ehevertrag zu unterschreiben. Ihre Tochter Darley hat auf Teile ihrer Erbschaft verzichtet und einen - aus einer koreanischen Familie stammenden - erfolgreichen Manager geheiratet. Er war und ist ihre große Liebe. Ihr Leben ist durch die Kinder unglaublich anstrengend geworden.
Als Darley nur sechs Monate nach Poppys Geburt erneut schwanger wurde, hatte sie das Gefühl, mitten in ihrem Leben sei eine Bombe hochgegangen. Sie arbeitete bei Goldman Sachs, und während sich Kind und Karriere noch hatten vereinbaren lassen, solange es nur ein Kind war, ging es mit zweien auf keinen Fall mehr - nicht bei ihrer 80-Stunden-Woche. Sie kündigte ihren Job, damit Malcolm den seinen behalten konnte, aber ohne Malcolms Eltern hätte sie es dennoch nicht geschafft. Leseprobe
Darleys Schwiegermutter hilft auch bei der Kinderbetreuung. Allein das tägliche Bespaßungsprogramm für die Kleinen ist extrem nerven- und zeitaufwendig. Man fragt sich, wie frühere Frauengenerationen mit ihren Kindern fertig wurden und es geschafft haben, mit viel weniger hilfreichen Maschinen im Haushalt? Aber allein schon bei der Beschreibung von Darleys Alltag fühlt man sich ermattet, als ob einem das Rückenmark abgezogen würde. Hinzu kommen allerhand Querelen in der Familie. Das Vermögen im Hintergrund macht es mitnichten einfacher.
Kluge Gesellschaftsanalyse, brillant übersetzt
Auch wenn die finanziellen Bedingungen andere sind, erkennt man hier die Chancen und Nöte moderner Familien, die ihren Kindern eine schöne Kindheit bereiten möchten: Spielplätze, Ausflüge in Tierparks, Schwimmbäder, Flohmärkte oder Straßenfeste. Schlecht oder gar nicht erzogene Kinder, die am Essen herummäkeln und mit ihren Energien, die nicht mehr in echte, sondern nur noch von Erwachsenen arrangierte Abenteuer fließen können - vieles kommt einem bekannt vor in unserer modernen Welt, in der noch alles gut zu sein scheint. Jenny Jackson liefert eine kluge, unterhaltsame Gesellschaftsanalyse, brillant übersetzt von Barbara Schaden.
Pineapple Street
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden
- Verlag:
- Btb
- Bestellnummer:
- 978-3-442-77240-7
- Preis:
- 19 €