Roman "Godwin": Das Milliardengeschäft rund um den Fußball
Joseph O'Neills neuer Roman "Godwin" spielt in vielen Teilen der Welt. Es geht um Fußball und das Geld, das man weltweit damit zu verdienen hofft.
Der innere Kern der Geschichte ist rasch erzählt, aber um diesen Kern herum entfaltet Joseph O'Neill eine unglaublich brillante, umfassende Analyse unserer Zeit.
Auf der Suche nach dem neuen Fußball-Gott
Ein Mann namens Mark Wolfe versucht seiner Frau zu erklären, was ihn umtreibt und warum er nicht zuhause ist:
"Godwin" erzähle ich ihr jetzt, "ist eines der wertvollsten Fußballtalente Afrikas. Vielleicht sogar der Welt. Er ist wahrscheinlich irgendwo in Westafrika. Kein Mensch weiß, wo genau. Es gibt ein geheimes Video." Leseprobe
Auf diesem sagenumwobenen Video ist angeblich zu erkennen, dass da ein Junge Fußball spielt wie ein Gott und zig Millionen wert ist. Unser Held will ihn finden. Es geht in diesem Roman aber auch um die Arbeitsbedingungen in unserer Zeit, die Versklavung durch die Computerarbeit ebenso wie den Umgang mit der Geschichte der Menschheit. Wolfe begibt sich nach Frankreich, um in Le Mans einen Fußballscout zu treffen. Die Besichtigung von europäischen Denkmälern liegt ihm eher weniger am Herzen. Er lehnt den bescheidenen Standpunkt eines Touristen angesichts der berühmten Kathedrale von Le Mans rigoros ab. Auch der Gang der Weltgeschichte, die auf Informationstafeln in Kurzform erzählt wird, stößt ihm übel auf:
Die Verfasser der Informationstafeln liefern einen kurzen Bericht der Invasionen und Kriege, welche die Gegend wegen der sogenannten Völkerwanderung jahrhundertelang plagten. Wanderung klingt so, als wären Zugvögel oder Rentiere die Protagonisten der Geschichte. Tatsächlich aber handelt es sich um die Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge der Ostgoten, Westgoten, Vandalen, Angeln, Sachsen, Sueben, Slawen, Thüringer, Gepiden, Franken und aller möglicher anderer Plünderer, Brandstifter, Vergewaltiger, Killer, ethnischer Säuberer und Analphabeten, die aus den Löchern und Hinterländern von Europa gekrochen kamen. Sie zerstörten alles. Leseprobe
Insofern scheint sich einfach wenig geändert zu haben.
Eine rasante Analyse der weltweiten Lebensbedingungen
Man kann die Weltgeschichte aber auch über die Geschichte des Fußballs luzide beleuchten. O'Neill erzählt von den Topstars unter den Fußballprofis, von den großen Vereinen und Trainern, Saufgelagen, Toren, Fights und Abenteuern in großen Stadien. Wer sich für Fußball interessiert, wird die Namen alle kennen und die Bedeutung mühelos entschlüsseln. Wer sich nicht für Fußball interessiert, kann es auch als eine rasante Analyse der weltweiten Lebensbedingungen von Armut und Flucht lesen. Zukünftige Fußballstars, die sich die Füße mit Zeitungspapier umwickeln, weil sie keine Schuhe haben, und überragend spielen.
Weil man (…) um Fußball natürlich zu spielen, als Kind Tausende und Abertausende von Stunden kicken, jeden einzelnen Tag kicken müsse, in der Schule in den Pausen, nach der Schule auf der Straße bis zum Einbruch der Dunkelheit und dann weiter im Licht der Straßenlaternen. Nur so entwickelt man die subtilen Fertigkeiten des Fußes und des Auges, die dieses trügerisch einfache Spiel verlangt. Leseprobe
So kommt es dazu, dass Millionen Fans in den Stadien zittern und jubeln, an den Bildschirmen kleben und eigentlich alle wissen, wie es geht oder laufen sollte. Drama pur. Mehr sei zum Inhalt nicht verraten. Zur anhaltenden Aufregung nach dem Fußballspielgucken empfohlen. Ein unhaltbarer Freistoß zum Thema Milliardengeschäft rund um den Fußball.
Godwin
- Seitenzahl:
- 432 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-05048-1
- Preis:
- 28 €