Roman "Die dritte Hälfte": Ein Arzt kämpft mit dem Älterwerden
Sabine Peters pflegt in ihrem Roman einen bewundernswert eigenwilligen Stil, der durchaus fasziniert, aber letztlich nicht ganz befriedigt. Die Figuren bleiben zu sehr Karikaturen, der Inhalt etwas zu konturlos.
Das Alter ist kein Kampf, es ist ein Massaker! Das hat jedenfalls der amerikanische Schriftsteller Philipp Roth einmal behauptet. Ganz so martialisch blickt Hermann Dik, niedergelassener Allgemeinmediziner in Hamburg St. Georg, nicht aufs Älterwerden. Er betrachtet neuerdings nur die Anzeichen dafür sehr aufmerksam. Die Arthrose, ja, aber sonst geht's schon noch. Wenn da nicht die Ängste wären, die ihn nachts wachhalten.
Es war im letzten Jahr im ausgehenden Winter, als Doc seinen Schlaf verlor. Er suchte ihn auf der Liege (...), er suchte ihn in Feld und Wald, beim Sport, beim Kräutertee (...) Doc zählte in den grauen Nächten graue Schafe. Leseprobe
Mit seinen 66 Jahren weiß er natürlich, dass er nicht mehr ganz der Alte ist. "Du bist ein Kauz in der dritten Hälfte des Lebens", sagt Doc Dik, wie er genannt wird, zu sich selbst.
Was hätte man besser machen sollen?
Sabine Peters bemüht in ihrem Roman das klassisch resümierende Erzählmotiv "Habe ich falsch gelebt?". Was hat man versäumt, was hätte man besser machen sollen?
Er radelte am Deich der Norderelbe entlang, sah die Filterbecken von Kaltehove. (...) Das hätte er mit Lucy machen sollen, doch er hatte immer wieder etwas vorgeschoben: Fortbildung, Hausbesuche, Steuererklärung. Herman Dik hockte verschanzt hinter der Barrikade, die er Arbeit nannte. Lucy erzählte von der Schule, er hörte nicht zu. Leseprobe
Seine Frau Lucy ist schon vor Jahren gestorben, seine privaten Kontakte beschränken sich nun auf die seltenen Besuche eines Freundes oder gelegentliche Treffen mit der Nachbarin. Die trägt aber auch ordentlich Seelenballast mit sich herum, zum Beispiel weil ihr Sohn sich gerade seine berufliche Zukunft verbaut.
Zum Personalreigen gehört außerdem Doc Diks Schwester Kerstin mit ihren kleinen Gehässigkeiten und seine Praxishilfe "ChristineOhlersonWaskannichfürSietun?", die unter den Folgen ihrer Brustkrebserkrankung leidet.
Karikaturhafte Figuren, konturloser Inhalt
Das Romanfigurenkarussell dreht immer mal die Eine oder den Anderen in den Vordergrund; und jeder dreht sich dann um sich selbst. An jedem zerrt die Vergangenheit, die Gegenwart und die Angst vor der Zukunft. Was alle verbindet, ist nur ihre Desillusionierung. Neben Sarkasmen und den lakonischen Lebensbetrachtungen gehören Selbstgespräche zum sprachlichen Kerngeschäft des Romans. Wenn Sabine Peters die Gedanken ihrer Protagonisten ungefiltert hörbar werden lässt, dann ist das reichlich unterhaltsam. Genau wie Doc Diks Einträge in sein "blaues Heft". Zum Ausgleich für seinen Praxisalltag, schreibt er nämlich gerne Nonsense-Verse:
Der Hinker aus Hamburg ist frohen Mutes, er will im Gemüte immer nur Gutes. Doch dann jagt sein Herz, er fühlt großen Schmerz. Er schlägt seine Frau, er schlägt seinen Hund, er schlägt sich den eigenen Schädel wund. Leseprobe
Sabine Peters pflegt einen bewundernswert eigenwilligen Stil, der durchaus fasziniert, aber letztlich nicht ganz befriedigt. Die Figuren bleiben zu sehr Karikaturen, der Inhalt etwas zu konturlos. Um aus all den Ebenen eine gut funktionierende und haltbare Geschichte zu machen, hätte es vielleicht einfach noch eine "dritte Romanhälfte" gebraucht.
Die dritte Hälfte
- Seitenzahl:
- 231 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Wallstein
- Bestellnummer:
- 978-3-8353-5760-0
- Preis:
- 22 €