Roman "Die Nacht der Bärin": Angst vor der Gewalt des Mannes
Kira Mohns "Die Nacht der Bärin" ist die Geschichte einer schwer belasteten Kindheit. Die Autorin präsentiert diesen schwierigen Stoff mit großem Geschick und raffinierter Komposition aus Erinnerungen und Gegenwart.
Auf Geschichten von Frauen, die unter narzisstisch gestörten Männern leiden, die sie unterdrücken, quälen und unter Umständen sogar schlagen, reagieren wir standardmäßig mit der Versicherung: "Würde mir das passieren - ich wäre sofort weg."
Kira Mohn schreibt im Nachwort, dass es eben nie so klar anfängt, sondern möglicherweise nach einer Zeit von großer Verliebtheit erst Stück für Stück, ganz langsam beginnt. Es kann ein schleichender Prozess sein: Zunächst wird unauffällig das Selbstwertgefühl der Frau unterwandert, sie wird von Freundinnen und Verwandten isoliert, dann gedemütigt und geschwächt, bis irgendwann kaum noch Kräfte übrig sind, um den seelische und/oder körperliche Gewalt ausübenden Mann zu verlassen. Darum fangen Frauen an, sich zu schämen für das, was in ihrem Leben passiert, zu vertuschen, zu verschweigen, notdürftig die Kinder zu beschützen.
Die Flucht vor der Gewalt, die nicht immer gelingt
In dem Roman "Die Nacht der Bärin" erfährt eine Tochter von der Gewalttätigkeit ihres Großvaters. Die Kapitelüberschriften lauten:
- "Kann ich vielleicht einmal nach Hause kommen, und es ist aufgeräumt?"
- "Du bist nicht mehr die Frau, die ich geheiratet habe."
- "Wenn du mich lieben würdest, müsste ich dir nicht ständig alles sagen."
- "Die Kinder treiben mich in den Wahnsinn."
- "Deine bescheuerten Freundinnen haben in diesem Haus nichts zu suchen."
Und so fort.
Eine junge Frau, die Jule heißt, war eigentlich zu ihren Eltern geflüchtet, weil sich ihr Lebensgefährte ihr gegenüber brutal verhalten hat und sie nicht weiß, ob sie seinen Entschuldigungen, Besserungsversprechen und Beteuerungen glauben und bei ihm bleiben soll. Während ihres Besuches bei den Eltern wird sie Zeugin eines Telefonats, durch das die Mutter erfährt, dass ihre eigene Mutter verstorben ist. Sie reagiert ausgesprochen seltsam. Jule will herausfinden, warum das so ist und warum sie diese Großmutter nicht kennengelernt hat.
In Rückblenden wird von der Kindheit der Mutter erzählt, die zusammen mit ihrer kleineren Schwester eine Fantasiewelt geschaffen hat, um dorthin vor ihrem immer gewalttätiger werdenden Vater zu flüchten. Er verprügelte seine Tochter regelmäßig, etwa wenn sie sich weigerte, einen Becher Milch zu trinken. Die Mutter sah zu, ohne den Vater zu stoppen. Ihre Töchter versuchten damals zusammenzuhalten.
Was war mit den Nächten? Vielleicht könnte sie die Tage noch irgendwie aushalten, aber was war mit den Nächten? Wenn von nebenan die Geräusche kamen, und Anna war nicht da? Leseprobe
Schwieriger Stoff mit tröstlichem Schluss
Kira Mohn erzählt von einer vergifteten Kindheit und einer Mutter, die nicht die Kraft hatte, den Vater zu verlassen. Sie präsentiert diesen schwierigen Stoff mit großem Geschick und raffinierter Komposition aus Erinnerungen und Gegenwart. In dem durchaus tröstlichen Schluss des Romans öffnen sich neue Perspektiven für die Frauen der nächsten Generation.
Die Nacht der Bärin
- Seitenzahl:
- 288 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- HarperCollins
- Bestellnummer:
- 978-3-365-00655-9
- Preis:
- 24 €