"Porträt einer Ehe": Mitreißender Historienroman von Maggie O’Farrell
Lucrezia de Medici hat im 16. Jahrhundert gelebt und ist mit gerade mal 16 Jahren plötzlich verstorben. Gerüchten zufolge soll sie ihr Ehemann Alfonso vergiftet haben. Maggie O’Farrell macht aus diesen spärlichen Informationen einen überzeugenden Roman.
Italien 1561: Die 16-jährige Lucrezia, Tochter der angesehenen Familie Medici, ist mit ihrem Mann Alfonso gerade in einer abgelegenen und einsamen Jagdhütte angekommen, als sie erkennt, dass ihr Mann einen finsteren Plan verfolgt:
Lucrezia nimmt Platz am langen Esstisch, der zu fahlem Glanz poliert und vollgestellt ist mit Geschirr, auf dem Kopf stehenden Kelchen und einem Kranz aus Tannenzweigen. Ihr Mann (...) entfaltet seine Serviette, richtet das Messer aus und zieht die Kerze zu ihnen hin, als Lucrezia mit seltsamer Klarheit - als blickte sie durch gefärbtes Glas oder vielmehr als täte sie dies mit einem Mal nicht mehr - begreift, dass er beabsichtigt, sie zu töten. Leseprobe
Eine arrangierte Ehe mit Folgen
Tatsächlich muss sich Lucrezia am nächsten Morgen übergeben, hat Vergiftungserscheinungen. Alles nur Einbildung? Die junge Frau ist zu diesem Zeitpunkt gerade ein Jahr verheiratet, aber versprochen wurde sie ihrem Mann bereits mit 13. Eigentlich hatte ihre ältere Schwester Maria Alfonso heiraten sollen, aber Maria stirbt vor der Hochzeit. Lucrezia wollte den ehemaligen Verlobten Marias unter keinen Umständen ehelichen und versuchte, bei ihrem Vater Cosimo zu intervenieren:
Lucrezia (...) platzte mit dem Plan heraus, den sie sich an diesem Morgen in ihrem Zimmer zurechtgelegt hatte: "Könnten wir ihn nicht stattdessen mit meiner Cousine verheiraten?"
Cosimo hielt inne, sein Gesicht wurde still, als begriffe er erst jetzt, wie grundsätzlich und gewaltig ihr Widerstand sei. "Deiner Cousine?", wiederholte Cosimo, ganz so, als sagte er: "Deinem Hund?"
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Selbstverständlich setzt sich der Vater durch und Lucrezia bleibt keine Wahl. Die Ehe beginnt harmonisch, Alfonso ist zugewandt und freundlich, erfüllt seiner Frau jeden Wunsch. Aber die damalige Zeit fordert ihren Tribut. Alfonso steht unter Druck, er braucht einen Erben, um seine Macht zu sichern. Und Lucrezia soll diesen Erben gebären - schnell:
Tagsüber wird (...) von Lucrezia nichts verlangt; nachts hingegen erwartet Alfonso eine Menge von ihr. Sie muss sich hingeben, ergeben, ihr Wesen einem anderen überlassen, ihm jede einzelne Nacht Zugang und Eintritt gewähren. Er ist wie ein Besessener, ein Mann auf der Suche nach einer höheren Bestimmung: Er will einen Erben zeugen, auf dass die Fortsetzung seiner Linie gesichert sei. Dieser Aufgabe widmet er sich so wie allen anderen: mit Entschlossenheit, Konzentration und Zielstrebigkeit. Leseprobe
Aber alle Bemühungen bleiben ohne Erfolg, Lucretia wird nicht schwanger.
Maggie O‘Farrell erzählt empathisch und mitreißend
Maggie O‘Farrell ist die Sprachkünstlerin unter den britischen Autorinnen. Weich und anschmiegsam wie Seide ist diese Sprache. Und wie schon in ihrem Vorgängerroman "Judith und Hamnet" lässt Maggie O’Farrells schier unerschöpfliche Vorstellungskraft staunen. Aus den wenigen überlieferten biografischen Fakten baut sie einen Rahmen. Das Bild darin entstammt ihrer Fantasie. Und die imaginiert Lucrezia als eigenwilliges, künstlerisch hochbegabtes Mädchen, das sich von seinen Eltern unverstanden fühlt. Und das trotz anfänglichem Widerstand hofft, in seiner Ehe frei und glücklich sein zu können. Maggie O’Farrell erzählt darüber empathisch und mitreißend. Und beschreibt ein Ende, das vielleicht nicht wahrscheinlich, aber sehr hoffnungsvoll ist.
Porträt einer Ehe
- Seitenzahl:
- 464 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Thomas Bodmer
- Verlag:
- Piper
- Bestellnummer:
- 978-3-492-07176-5
- Preis:
- 24 €