von Annemarie Stoltenberg

Schon das Motto dieser gegen den Strich gebürsteten Weihnachtsgeschichten von Daniel Glattauer ist herrlich frech:

Wer zu Weihnachten nicht streitet, versäumt die beste Zeit dafür. Leseprobe

Die Weihnachtsstimmung sinkt und sinkt

Axel Hacke beschreibt in seiner Geschichte eines der deutschen Weihnachtsrituale: den Kauf eines Weihnachtsbaumes. Er tut das immer, wie es so schön heißt, auf den letzten Drücker, und hofft damit, den Preis zu senken:

Ich aber lebe immer wieder von Neuem in dem Gefühl, so kurz vor dem Fest müsste ich meinen Christbaum billiger bekommen, weil ja der Händler mit der Ware nach Weihnachten nichts anfangen kann, er kann sie nicht aufheben bis zum nächsten Jahr, kann den Baum nicht in den Wald zurückpflanzen. Er müsste so knapp vor Heiligabend in Schlussverkaufsstimmung sein, alles mehr oder weniger herschenken. Aber was ich jedes Jahr vergesse, das ist…: Auch ich sitze in der Christbaumfalle. Ich kann nicht ohne Baum heimkehren. Leseprobe

John Updike zählt die zwölf Schrecken der Weihnacht auf: vom Weihnachtsmann, dem Gruseltypen bei Stephen King bis zur Angst, nichts geschenkt zu bekommen. Unter Punkt sieben geht es um die Weihnachtslieder:

Sie dröhnen und klingeln von den hohen Decken der Supermärkte und Discountläden, aber die Stimmung sinkt und sinkt. Ist uns das Herz so schwer geworden, seit wir keine Kinder mehr sind? Was ist mit uns geschehen? Warum spielen sie nie mehr unsere Lieblingslieder? Damdidam der Engelein Chor und so weiter am himmlischen Tor. Leseprobe

Daniel Glattauer entspinnt in seiner Geschichte die beliebtesten Weihnachtskrisen:

Das Epizentrum der potenziellen Streitausbrüche liegt in der Kernfamilie (Mutter, Vater, Kind) oder der Populärfamilie (Exfrau, Baby aus soeben beendeter Lebensabschnittspartnerschaft, Exmann, gemeinsamer Rauhaardackel, neue Freundin, deren Tochter und ihr Freund, ein Piercingstudio-Betreiber mit viel Eigenwerbung im Gesicht). Um die Streitkultur zu bereichern und variantenreicher zu gestalten, empfiehlt es sich aber, auch Personen außerhalb des engsten Familienkreises mit einzubeziehen. Leseprobe

Weihnachten: Ein schwieriges Fest

Vielleicht sind das dann Menschen, die sonst den Heiligabend allein verbracht hätten und dann in froher Weihnachtsstimmung wieder nach Hause gehen können, weil sie den Weihnachtsstreitereien mit heiler Haut entkommen dürfen. Es ist ein schwieriger Tag, ein schwieriges Fest. Vermutlich der einzige Tag im Jahr, an dem man nirgendwo einfach hingehen kann. Überhöht mit Erwartungen und Wünschen, überfrachtet mit Hoffnung. Wer sich mit dieser Geschichtensammlung vor dem Fest rüstet, hat im berühmten Drachenblut gebadet.

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