"Mitternachtsschwimmer": Flucht an die raue irische Küste
Die in Nordirland lebende Roisin Maguire hat mit ihrem Debüt "Mitternachtsschwimmer" in ihrer Heimat viele Leser- und Leserinnenherzen erobert. Darin erzählt sie eine schrullige und bewegende Geschichte.
Ein Mann aus Belfast kommt in ein kleines Dorf an der irischen Küste mit kühl-windigem Klima und eigenbrötlerischen Einwohnern. Es ist Evan, der sich gerade in einer schweren Lebenskrise befindet. Nach seiner Ankunft geht er zuerst in den kleinen Dorfladen und besorgt sich Proviant: Milch und offenbar auch etwas stärkere Getränke, denen immer gern eine tröstliche Wirkung unterstellt wird. Obgleich wir alle wissen, dass es nicht möglich ist, Sorgen zu ertränken; sie können bekanntlich schwimmen. Von den Menschen im Dorf wird Evan misstrauisch begutachtet:
"Du klingst gar nicht, wie die anderen aus Belfast, die wir sonst so reinkriegen." Evan lächelte entschuldigend. Etwas Nasses lief an seinem Ellbogen vorbei. "Tja", sagte er, "ich geh wohl besser…" "Is 'n großer Karton, den du da hast." Der Mann stützte auch den anderen Ellbogen ab. Evan nickte. "Ja, das stimmt. Und schwer ist er auch." "Bleibst wohl länger, hmh?" "Nur eine Woche … wissen Sie?" Leseprobe
Eine Auszeit im Cottage
Das Haus, das Evan gemietet hat, gehört der etwas sonderlichen Grace, die hier allein lebt und ihre Tage ganzjährig mit Schwimmen, ihrer Arbeit mit Stoffen und ihrem Hund verbringt. Sie ist sicher ein Klassiker für die Rubrik "raue Schale" - so wie das Klima an der irischen Küste, auch wenn es im Sonnenschein so pittoresk wirkt:
(…) kleine weiße Häuser, die in einer adretten Reihe den Hügel hinaufkrochen, sich wegduckten vor den Meeresstürmen, die hier in den Wintermonaten sicher ihr Unwesen trieben. Evan nickte. Der Mann fühlte ihm auf den Zahn. Vergewisserte sich, dass der neue Mieter keinen Ärger machen würde. Partys um Mitternacht, Nacktbaden, solche Sachen. Was die anderen aus Belfast so veranstalteten, möglicherweise. "Ich nehm mir hier nur 'ne klitzekleine Auszeit, nur 'ne Woche, Frank. Ruhig und friedlich. Bisschen fotografieren, so Sachen. Ich mach dir keinen Ärger, versprochen." Leseprobe
"Mitternachtsschwimmer": Ein sorgfältig gestaltetes Buch
In kleinen Informationsmosaiksteinchen bekommen die Dorfbewohner mit, was Evan zur Flucht an die Küste getrieben hat. Irgendwann bringt seine Frau auch den achtjährigen Sohn Luca vorbei, mit dem sie sich überfordert fühlt. Luca ist ein unglaublich liebenswürdiger, schmaler, kleiner Bursche, der von seinen mit ihrem eigenen Kummer und den Sorgen überforderten Eltern vernachlässigt wird. Zu den berührendsten Passagen dieses wundervoll zu lesenden Romans zählen die Beschreibungen, wie es ist, mit einem Kind, das taub ist, umzugehen. Betörend und eigentümlich lockend sind die Passagen, in denen es um die See geht, um das Dorf auf dem Felsen und - wie es der Titel verspricht - die "Mitternachtsschwimmer".
Ganz nebenbei ist noch anzumerken, dass es ein sorgfältig gestaltetes Buch geworden ist. Auf dem Umschlag ist ein Seestück zu sehen. Es wirkt wie in Öl auf Leinen gemalt, dieses Motiv mit Schaumkronen auf Meereswogen.
Mitternachtsschwimmer
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Andrea O`Brien
- Verlag:
- Dumont
- Bestellnummer:
- 978-3-8321-6829-2
- Preis:
- 24 €