"Meine Büchnerpreisreden": Satirischer Blick auf die Literaturszene
Thorsten Krämer setzt sich in "Meine Büchnerpreisreden" über die Gepflogenheiten des Literaturbetriebs hinweg. Mit unterschwelligem Witz experimentiert er mit Erfindung, Realität und Absurdem.
Nachdem sein Roman "Musik aus Japan" Ende der 1990er-Jahre herauskam, wird Thorsten Krämer zu den sogenannten Popliteraten gezählt, was seinem vielschichtigem literarischen Schreiben jedoch nicht gerecht wird. Krämer scheibt nicht nur Romane, sondern auch Gedichte, Hörspiele, Theaterstücke, Erzählungen und Essays. Zuletzt erschien sein Gedichtband "Schwankungen der Füllhöhe" bei Elif, der als Verlag gerade mit dem Kurt-Wolff-Förderpreis 2023 ausgezeichnet wurde. Neben der Zusammenarbeit mit zahlreichen Verlagen veröffentlicht Thorsten Krämer seine Texte auch in seinem eigenen Verlag yeh.de. Dort ist gerade ein neuer Band "Meine Büchnerpreisreden" herausgekommen.
39 Reden, verfasst von einem namenlosen Erzähler
Laut Thorsten Krämer sei "Meine Büchnerpreisreden" das Buch des Jahres 2022. Dann präzisiert es der Autor genauer: Es sei sein Buch des Jahres oder noch genauer: Es sei das Buch, das er 2022 geschrieben habe. Der Schriftsteller Thorsten Krämer hat viel Humor und setzt sich in seinem neuen Buch über die Gepflogenheiten des Literaturbetriebs hinweg.
Normalerweise verfassen und halten die Gewinnerinnen und Gewinner des Büchnerpreises ihre Reden und geben dabei oft Auskunft über ihr eigenes literarisches Schreiben. Eine sehr interessante und privilegierte Form von Text, findet Thorsten Krämer. Vor diesem Hintergrund fragte sich der 1971 geborene Wuppertaler, warum man diese Reden nicht einfach schreiben könne, ohne den Preis je gewonnen zu haben. So versammelt Thorsten Krämer in seinem Band insgesamt 39 Reden - weil es laut Autor eine schöne ungerade Zahl ist. Verfasst von einem namenlosen Erzähler, funktionieren die Reden trotzdem nicht wie gehaltene Ansprachen. "Ich habe dann gemerkt, dass die grundsätzliche Anmaßung, die in dem Projekt grundsätzlich besteht, vielleicht doch zu heftig wird, wenn ich mit meinen Reden versuche, mit den tatsächlichen Reden zu konkurrieren", so Krämer. "Deshalb habe ich gedacht, ich finde eine Form, keine wörtlichen Reden zu schreiben, sondern Texte über die Reden. Und davon dann gleich so viele, dass klar wird, dass da ein hoher Grad an Absurdität mitschwingt."
Und so hört sich das an:
Meine erste Büchnerpreisrede war voller Fehler. So behauptete ich, dass Helmut Heißenbüttel im Krieg seinen rechten Arm verloren hätte, dabei war es der linke. Der Spott blieb nicht aus: "Dichter verwechselt rechts und links", titelte die BILD-Zeitung. Ich reiste nach Hagen und ließ nichts mehr von mir hören. Zu meiner Erleichterung war der Skandal längst Schnee von gestern, die nächste Sau wurde bereits durchs Dorf getrieben. Die Dichterin M. hatte aus Versehen ein Sonett mit 15 Versen veröffentlicht. Leseprobe
Erschütternde Skandale rund um den Redenschreiber
Mit unterschwelligem Witz experimentiert Thorsten Krämer in "Meine Büchnerpreisreden" mit Erfindung, Realität und Absurdem. Die Reden muss man nicht zwingend chronologisch hintereinander lesen. Tut man dies doch, so offenbaren sich kleine Geschichten, in denen man auch eine Biografie des Erzählers und seines Umfelds entdeckt.
Den Leserinnen und Lesern der Büchnerpreisreden bleibt nichts verborgen. Allmählich lernen sie den Erzähler kennen, der mit seiner öffentlichen Rolle als Schriftsteller hadert. "Der Erzähler in diesem Buch ist ein Autor, der immer wieder die Öffentlichkeit sucht. Er wird dann unfreiwillig Gegenstand von irgendwelchen Skandalen", beschreibt Krämer.
Diese Skandale rund um den Erzähler und Redenschreiber erfassen nicht nur den Literaturbetrieb, zu dem der Büchnerpreis als wichtigste Auszeichnung zählt. Sondern sie erschüttern die gesamte Gesellschaft:
Meine neunte Büchnerpreisrede behandelte ausschließlich meine Erfahrungen mit Tinder-Dates. Der Skandal erfasste nicht nur die überschaubare Literaturszene, er zog Kreise bis in die Regierungsebene. Zum ersten Mal im Leben fühlte ich mich wie ein richtiger Schriftsteller. Leseprobe
"Meine Büchnerpreisreden": Humorvolle Auseinandersetzung mit dem Literaturbetrieb
Nicht zuletzt ist Thorsten Krämers Buch "Meine Büchnerpreisreden" ein äußerst unterhaltsamer, satirischer, ironischer und hintergründiger Blick auf die Literaturszene und deren Einzelakteure. Es ist auch eine humorvolle Auseinandersetzung mit den nicht von der Hand zu weisenden Nöten von Schriftstellerinnen und Schriftstellern. "Vor dem Hintergrund habe ich gedacht, das in diesem Band mal zu fokussieren", sagt Krämer. "Darin kommen völlig utopische Honorare und Lebensumstände von Autor*innen vor. Der ganze finanzielle Bereich ist in dem Buch in den Bereich des Absurden verlegt worden, um das auf diese Art noch einmal zu thematisieren, dass die Realität eben genau in die andere Richtung zeigt."
Meine Büchnerpreisreden
- Seitenzahl:
- 116 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- yeh.de
- Bestellnummer:
- 978-3-949-98405-1
- Preis:
- 10 €