Maria Pourchets "Feuer": Gefangen im Karussell des Begehrens
Für ihren Roman "Feuer" wurde Maria Pourchet in Frankreich für etliche Literaturpreise nominiert. Es ist die Geschichte einer klassischen "Amour fou", die in vielen Variationen in der französischen Literatur vorkommt.
Über Billy Wilder wird erzählt, er habe eine Zeitlang gedacht, seine Träume seien Filmstoffe. Er legte sich Zettel und Bleistift neben das Bett und am Morgen stand dort: "Boy meets girl". Viel mehr passiert auch nicht in dem Roman von Maria Pourchet. Aber er spielt in unserer Zeit heute, mit den Zeiterscheinungen, die zu unserer Epoche gehören.
Eine Affäre, die einen pechschwarzen Sog entfacht
Die Heldin der Geschichte heißt Laure. Sie ist Dozentin an der Uni in Paris, verheiratet mit einem Arzt, hat zwei fast erwachsene Töchter und langweilt sich gleichwohl mit 40 Jahren in einem Pariser Vorort. Für einen Kongress hat sie einen Investmentbanker für einen Vortrag angefragt. Sie trifft sich mit ihm in einem Restaurant:
Zwischen Handgelenk und schwarzem Anzugstoff fallen dir zwei Zentimeter makelloser, edler Baumwolle ins Auge. Du tippst auf ein schmal geschnittenes Hemd, einmal gewaschen, zweimal getragen. Höchstens. Plötzlich willst du unbedingt sehen, was sich sonst noch unter dem kühlen Stoff verbirgt. Leseprobe
Maria Pourchet lässt ihre Ich-Erzählerin sich selbst mit Du ansprechen, als ob sie auf Distanz zu sich selbst ginge. Und das tut sie auch, denn sie weiß durchgängig und von Anfang an, dass falsch ist, was sie tut. Der Mann, den sie als Liebhaber wählt, heißt Clement. Es ist ein seelisch schon lange mausetoter Mann, der emotional nichts zu geben hat. Eine Affäre mit einem Kühlschrank könnte anheimelnder sein. Er hat jeden Glauben an die Geldwirtschaft und die menschliche Zukunft verloren und ist schwer depressiv. Seine Perfektion, sich Laure außerhalb ihrer sexuellen Begegnungen zu entziehen, erzeugt in ihr leider keine rettende Fluchtbewegung, sondern einen pechschwarzen Sog. Oder es wirkt wie Treibsand. Sie kann sich ihm nicht entziehen. Wer sich abgewöhnen möchte, über andere Menschen den Kopf zu schütteln und unentwegt zu denken: "Ich würde doch nie…", kommt schnell an die Grenzen seiner Selbstbeherrschung. Man kann nicht umhin, das Verhalten von Laure als selbstzerstörerisch und idiotisch zu kritisieren. Sie ignoriert dabei sämtliche feministischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte.
"Feuer": Brillant geschriebener Roman
Eine ihrer beiden Töchter merkt, in was sich ihre Mutter verrennt. Sie rettet ihr das Leben, als Laure im Badezimmer eine Frühgeburt erleidet.
"Du hättest sterben können. Wenn ich nicht nach Hause gekommen wäre, lägst du immer noch da." (…) "Heute war mein Geburtstag", sagte sie und steht auf. Endlich schaffst du es zu sagen, ich schäme mich. Und vor Scham würdest du am liebsten auf der Stelle sterben, so wie du da auf den Fliesen liegst, damit sie dir glaubt. Leseprobe
Véra, als typische Vertreterin ihrer Generation, ist sehr dünn und sehr wütend. Nicht nur auf ihre Mutter, sondern auf den gesamten, nicht mehr abzutragenden Schuldenberg, den frühere Generationen aufgetürmt haben. Kein Gramm Intelligenz wird in dieser großbürgerlichen Familie darauf verwendet, darüber nachzudenken, wie man miteinander ein gutes Leben führen könnte. So sind in diesem Roman nicht die sehr freizügig beschriebenen Sexszenen schockierend, sondern die Skrupellosigkeit, mit der hier hoch privilegiertes Leben behandelt wird, als sei es Dreck und man könnte es im Internet neu bestellen. Maria Pourchet bietet ein brillant geschriebenes, erschütterndes Porträt einer bestimmten Gesellschaftsschicht unserer Epoche.
Feuer
- Seitenzahl:
- 320 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Französischen von Claudia Marquardt
- Verlag:
- Luchterhand
- Bestellnummer:
- 978-3-630-87734-1
- Preis:
- 24 €