"Leuchtfeuer": Dani Shapiros Roman über ein Familiengeheimnis
Für Annemarie Stoltenberg ist die US-Amerikanerin Dani Shapiro die Entdeckung dieses Frühjahrs. In ihrem Roman "Leuchtfeuer" schildert die 1962 geborene Autorin ein Ereignis, das zum Geheimnis gemacht wird - und seine Folgen.
Es ist eine glückliche und erfolgreiche Familie: Ben und Mimi Wilf. Im Jahr 1970 haben sie ihr erstes Kind bekommen: Sarah. Später kommt noch der Sohn Theo dazu. Ben ist ein angesehener, beliebter Arzt. Seine wunderschöne Frau Mimi sorgt für ein gemütliches, warmes, stilvoll eingerichtetes Zuhause, in dem die Kinder behütet aufwachsen.
Die Teenager haben keine bösen Absichten. Es sind liebe Kinder - das würde jeder bestätigen. Aber sie langweilen sich. Der Sommer geht zu Ende. In einer Woche fängt die Schule wieder an. Sarah geht dann in die Abschlussklasse, und in einem Jahr wird sie fort sein. Seine Schwester ist ein Superstar. In allem immer die Beste. Vor Potenzial strotzend. Theo hat noch drei Jahre vor sich, und er hat sich kaum hervorgetan. Er ist ein pummeliger, schweigsamer Junge, der sich häufig schämt. Er wird schnell rot.
Verhängnisvolle Autofahrt von Sarah und Theo
Im August 1985 - und damit beginnt der Roman, sind Sarah und Theo nachts zum Feiern unterwegs; Sarah hat Alkohol getrunken und gibt ihrem kleinen Bruder die Schlüssel für das Auto der Mutter. Theo möchte das Mädchen Misty beeindrucken und versucht, sich während der Fahrt eine Zigarette anzuzünden.
Doch jetzt - jetzt schießen ihre Zukünfte wie Gammastrahlen aus dem fahrenden Auto. Drei Highschool-Schüler. Was, wenn Sarah stattdessen an dem Abend mit Freunden ausgegangen wäre? Was, wenn Misty Nein gesagt hätte? Was, wenn Theo sich wie fast jeden Abend ein Salami-Sandwich mit reichlich Senf geschmiert hätte und dann ins Bett gegangen wäre. Das Lenkrad wird herumgerissen. Die Schreie von Teenagern in der Nacht.
Mistys Tod wird zum Geheimnis - und zum Trauma
In dieser Nacht kommt es zu einem tragischen Unfall. Der Wagen prallt gegen einen Baum und das Nachbarmädchen Misty stirbt. Wie geht man mit einer solchen Tragödie um? Die Mutter von Theo und Sarah ordnet nach der Trauerfeier für Misty rigoros an, dass darüber nicht gesprochen wird. Aber die Familie wird mit diesem Trauma nie fertig werden. Sarah macht sich Vorwürfe, Theo fühlt sich schuldig und ebenso Ben, der als Arzt erste Hilfe leisten wollte.
Demente Mimi bildet Schicksalsgemeinschaft mit Waldo
Sie schleppen es alle mit sich herum. 1999 beginnt Mimi dement zu werden, Ben schafft es nicht mehr, sich um sich zu kümmern und bringt sie in einer Pflegeeinrichtung unter. Nachts flüchtet sie von dort, irrt durch die Straßen und trifft in einem Spielhäuschen für Kinder vor einer Einkaufsmeile den Nachbarjungen Waldo, der sich hier versteckt hat. Er hat es schwer in seinem Kinderleben und ist auch weggelaufen. Für eine Nacht bilden das Kind und die ältere Dame eine Art Schicksalsgemeinschaft.
Kluger, tröstlicher Roman
Es stehen so viele kluge, tröstliche Dinge in diesem Roman, dass man unterstreicht, herausschreibt, es anderen vorlesen möchte. Erzählt wird etwa von Theos Versuchen, noch ein gelingendes Leben hinzubekommen, von Sarahs Alkoholabhängigkeit oder Bens Freundschaft mit dem Nachbarjungen Waldo. Es ist mein Lieblingsbuch in diesem Frühjahr.
Leuchtfeuer
- Seitenzahl:
- 288 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
- Verlag:
- Hanserblau
- Bestellnummer:
- 978-3-446-27935-3
- Preis:
- 23 €