"Leben im Hotel": Kleines Buch als feine Strandkorblektüre
Die Publizistin Marion Löhndorf ist für ihr Essay "Leben im Hotel" durch viele Drehtüren gegangen und vermittelt Einblicke in eine spezielle Welt - in das "Leben im Hotel". Ein feines Buch im Kleinformat voller Anekdoten.
Sich mal zwei Wochen um nichts kümmern müssen, sich morgens am üppigen Frühstücksbuffet bedienen und abends ein Menü serviert bekommen. Dazu weitgehend unsichtbares Personal, das das Bad putzt, staubsaugt und die Betten macht. Wenn man dann noch ein Zimmer mit Aussicht hat, wird der Ferienaufenthalt im Hotel für viele zum Inbegriff eines gelungenen Urlaubs. Hotels können aber weit mehr, als ihren Gästen nur Übernachtungsmöglichkeiten mit Verpflegung und Service zu bieten.
Hotels - beliebte Schauplätze in Geschichten
Was für eine Kulisse! Im "Grand Budapest Hotel" in Wes Andersons gleichnamiger rasanten Kinokomödie von 2014 wird die fiktive Nobelherberge zum Schauplatz von Liebschaften und wilden Verfolgungsjagden. Hotels sind dankbarer Erzählstoff und werden in Filmen und Romanen häufig als geheimnisvolle Schicksalsorte inszeniert. Vicky Baum führte in ihrem Roman "Menschen im Hotel" von 1929 Pagen, Portiers und Reisende mit leichtem und schwerem Lebensgepäck zusammen.
Auch in Thomas Manns - 1957 zum ersten Mal verfilmten - Roman "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull", dienen Lobby, Speisesaal und Aufzug dem Austausch verstohlener Blicke und: unstandesgemäßen Liaisons.
Orte politischer Entscheidungen
Manchmal werden Hotels auch zur festen Wohnadresse. Der am Ende seines Lebens mittellose und hochverschuldete Oscar Wilde hatte seinen Liebhaber Lord Alfred Douglas in besseren Zeiten im edlen Londoner Luxushotel Savoy empfangen. Wurde dann von den Angestellten schändlich verpfiffen, obwohl Diskretion in großen Hotels oberstes Gebot sein soll. Nach seiner Haftstrafe - er war wegen seiner homoerotischen Beziehungen verurteilt worden - landete er in einer Pariser Absteige. Hier soll er am 30. November 1900, seinem Todestag, gesagt haben: "Diese Tapete ist mein Tod. Einer von uns muss gehen." Die Tapete ist bekanntlich länger geblieben...
Neu sind solche Blicke hinter die Türen von Suiten und Doppelzimmern nicht. Der Sehnsuchtsort Hotel wurde schon in zahlreichen kulturgeschichtlichen Abhandlungen und Anthologien bis in die hintersten Winkel der Minibars ausgeleuchtet. Aber die Akribie, mit der Marion Löhndorf die Details hier zusammenträgt, und wie unterhaltsam und vertiefend sie über Hotels als Orte politischer Entscheidungen oder als Sammelbecken für Migranten während der Weltkriege schreibt, macht das kleinformatige Buch zur feinen Strandkorblektüre. Oder man vertreibt sich die Zeit an einem verregneten Urlaubstag auf dem Hotelzimmer mit den illustren Gästen, die im legendären New Yorker "Chelsea" abgestiegen sind:
Der walisische Dichter Dylan Thomas war dort gestorben, Thomas Wolfe hatte dort geschrieben, Bob Dylan komponierte "Sad-Eyed Lady of the Lowlands", und die Andy-Warhol-Muse Edie Sedgwick steckte ihr Zimmer versehentlich beim Ankleben falscher Wimpern in Brand. Mark Twain, Charles Bukowski, William S. Burroughs und Jackson Pollock logierten in einem der vierhundert Zimmer im Haus 222 West 23rd Street, dessen Geschäftsmodell Arthur Miller zufolge einer simplen Strategie folgte: "Keine Staubsauger, keine Regeln, keine Scham" Leseprobe
Die vielfältige Welt der Hotels
Marion Löhndorf lotst uns durch viele Hotel-Drehtüren in aller Welt. Sie beschreibt den Reiz sogenannter "Erlebnishotels", wie beispielsweise dem Malmaison in Oxford, das noch immer Gitter vor den Fenstern hat, weil das Gebäude bis 1996 ein Gefängnis war. Oder sie charakterisiert die gesichtslosen, weil vor allem zweckdienlichen Business Hotels. Ausgestattet meistens in eintönigen Beigetönen, einer Farbe, die, wie sie schreibt, "eigentlich gar nicht da sein will". Die hinter das entschlossenere Weiß zurücktritt.
Weiß ist zu viel. Beige dagegen verspricht Kompromissbereitschaft und Mäßigung. Es verträgt sich harmonisch mit einem Geschäftsabschluss, der für beide Seiten einen win-win-Abschluss bedeutet. Leseprobe
In "Leben im Hotel" checkt man ständig ein- und aus. Am Ende hat man ausreichend Wissenssouvenirs gesammelt und ist mit den vielen Anekdoten weit herumgekommen.
Leben im Hotel
- Seitenzahl:
- 104 Seiten
- Genre:
- Essay
- Verlag:
- Zu Klampen
- Bestellnummer:
- 978-3-9873701-3-7
- Preis:
- 14 €