Die Seelen der Gebäude
Wie winzig das Motorrad mit Sattel wirkt - fast verloren steht es da neben dem Eingang des - damals noch - NWDR Funkhauses in Köln. Es ist Nacht und das Foyer speit Licht auf die kleine Maschine. Sie wirkt so winzig, weil neben ihr das vierstöckige Treppenhaus aufragt und über ihr die dunkle Masse des Kölner Funkhauses lastet - nur gestützt von einer einzigen wie ein Tischbein geformten Betonsäule.
Und wir als Betrachter stehen in der Nacht und beobachten die Szene von der anderen Straßenseite aus. Groß-klein, hell-dunkel: Kontraste also und dazu eine undefinierbare Spannung beim Betrachten. Was will man mehr von einem Foto? Und aus dieser Kategorie erwartet uns noch einiges auf den Seiten dieses Bildbands.
Ambiente der 50er Jahre
Wir schreiben die Fünfziger Jahre: Kurt Edelhagen und sein Jazzorchester haben den St. Louis Blues und Deutschland baut auf Teufel komm raus: Wohnungen, Bürogebäude, Fabriken, Autohäuser, es fehlt an allem, was vier Wände hat - nicht schön muss es sein, aber funktional.
Aber halt: nicht schön? Wer die gestochen scharfen, leicht Patina tragenden Architekturbilder von Karl Hugo Schmölz betrachtet, bekommt einen anderen Eindruck:
Schmölz arbeitete oft bei Nacht - ohne Blitz und Kunstlicht - und nur die Beleuchtung im Inneren der Gebäude diente als Lichtquelle. Und so verwandeln sich Auto- und Kaufhäuser, Cafés und Kinos in so etwas wie Vitrinen.
Fotografien ohne Kunstlicht
Aus dem Dunkel schauen wir durch messinggefasste Glasscheiben auf die glitzernde Ausstellung einer vergangenen Welt: VW Käfer auf Hochglanz poliert, Bauknecht-Waschmaschinen und Nierentische im Elektrogeschäft und das "Haus für Bürotechnik" stellt seine Schreibmaschinen auf Sockeln aus, als seien es Büsten aus dem Altertum...
Das alles wäre nicht mehr als ein sentimentaler Rückblick, aber Komposition und Perspektivwahl von Schmölz offenbaren treffsicher die Ästhetik der damaligen Architektur und die Linienführung macht aus den Bildern große Kunst.
Vor allem Treppenhäuser hatten es Schmölz offenbar angetan. Geländer fließen wie Papierschlangen über mehrere Stockwerke durch die Bilder, Treppenstufen bilden gezackte Spiralen ins Unendliche.
Ungewöhnliche Perspektiven
Eines der schönsten Bilder stammt aus dem Verwaltungsgebäude Rheinpreußen in Duisburg von 1957: Die Komposition der Bildteile aus Handläufen, fließenden Stufen und schattig abgegrenzten Obergeschossen erinnert an die Linien eines Notenschlüssels. Der Begriff Architekturphotografie greift hier zu kurz - denn das sind Portraits, die die Seele der Gebäude zeigen.
Mit Erinnerungen an Kindheitstage Ende der Fünfziger in Köln hat Ulf Erdmann Ziegler ein perfekt einstimmendes Vorwort für diesen beeindruckenden Fotoband geliefert. Es ist ein Glücksfall, dass die Herausgeber und der Verlag aus Schmölz' alten Glasnegativen neue unfassbar tiefenscharfe Abzüge gemacht haben. Der einzige Nachteil: Am Ende mag man die eigene Digitalkamera gar nicht mehr in die Hand nehmen.
Köln - Architekturfotografie der 50er Jahre
- Seitenzahl:
- 176 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Schirmer/Mosel
- Bestellnummer:
- 978-3829605397
- Preis:
- 49,80 €