"Gebt mir etwas Zeit": Hape Kerkelings bewegende Ahnenforschung
Für "Gebt mir etwas Zeit" hat Kerkeling Ahnenforschung betrieben, ist tief in die bewegte Geschichte seiner Vorfahren eingetaucht. Er verwebt diese Recherchen mit eigenen bewegenden Erinnerungen und er lüftet ein unglaubliches Geheimnis.
"Seit meiner Kindheit wollte ich wissen: Woher kommen meine Vorfahren?" Deshalb hat Hape Kerkeling seine DNA auf seine Herkunft analysieren lassen und mit dieser Unterstützung Ahnenforschung betrieben. Vor allem hat er seine niederländischen Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgt.
Einige der recherchierten Verwandten präsentiert er in seinem neuen Buch "Gebt mir etwas Zeit". "Da war alles dabei", erzählt Kerkeling, "vom Seefahrer bis zum großen Händler - und Sadisten, muss ich wohl leider sagen, aber auch Adlige. Also wirklich eine ganz verrückte Truppe. Fastnachtsdichter aus dem 14. Jahrhundert habe ich plötzlich aufgetrieben. So habe ich dann so peu à peu mein Familienpuzzle zusammenstellen können."
Wunderbar anschaulich erzählte Geschichten
Das Buch ist zum Glück kein trockenes Werk für Ahnenforscher-Nerds, sondern lebt von den vielen wunderbar anschaulich erzählten Geschichten aus Kerkelings Leben. Zugleich ist es eine Liebeserklärung an Amsterdam. "Gebt mir etwas Zeit", der titelgebende Spruch, ist an einem Haus aus dem 17. Jahrhundert in Amsterdam zu lesen. Dort lebte der Hutmacher Cornelis Kerkeling.
Hape Kerkeling vermutet, dass das Hutgeschäft seines Vorfahren ein getarntes Bordell war: "Wir kennen diese Coffeeshops, in denen alles verkauft wird, nur kein Kaffee. So hatten die Holländer damals Hutläden. Da der Hut und die Auswahl eines Hutes etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen und da in einen solchen Laden Männer und Frauen gehen können und da man auch mal den Vorhang zuziehen konnte bei der Hut-Anprobe, hat sich dann irgendwann durchgesetzt, dass die Hutläden eben die versteckten Bordelle waren."
Bewegende Momente in "Gebt mir etwas Zeit"
Als Sechsjähriger besucht Hape Kerkeling mit seinen Eltern Amsterdam und will dort gar nicht mehr weg. Später, als er als junger Mann im Fernsehen Karriere macht und darunter leidet, dass er seine Homosexualität nicht offen ausleben kann, besucht er gern das damals, also Mitte der 80er-Jahre, schon tolerantere Amsterdam. Dort verliebt er sich in Duncan, einen Niederländer. Die beiden werden ein Paar. Aber dann hat Duncan AIDS.
Der völlige Terror überfällt Duncans Körper. Eine normale Nachtruhe existiert nicht mehr. Als Partner eines Erkrankten entwickelt man im Laufe der Zeit absurde Kosymptome wie Fieber, Atemnot oder Bluthochdruck. Angst verspüre ich allerdings keine mehr. An ihre Stelle ist eine dumpfe Resignation getreten. Auszug aus dem Buch ""Gebt mir etwas Zeit""
1989 stirbt Duncan. So ist für Hape Kerkeling Amsterdam vor allem der Ort einer großen Liebe und einer noch größeren Tragödie, sagt wer: "Es hat mich Mut gekostet, darüber zu schreiben, weil das natürlich sehr privat ist."
Kerkeling in der Thronfolge?
Als Menschenfreund vertraut Kerkeling uns Lesern das an. So leiden wir mit ihm, aber lachen auch viel über die skurrilen Geschichten. Wie gerne wäre man dabei gewesen, als er als Kind mit seiner Großmutter Bertha, die sich nach dem Suizid seiner Mutter liebevoll um ihn kümmerte, auf der Eckbank saß. Bei Kaffee und Streuselkuchen lasen beide Illustrierte mit den Neuigkeiten zu den europäischen Königshäusern.
Dabei fiel Hape Kerkeling auf, dass Herzog Edward von Kent Großmutter Bertha verblüffend ähnlich sah. "Das habe ich meiner Großmutter gesagt", erzählt Kerkeling. "Dann ist sie puterrot angelaufen und hat darüber nicht weiter reden wollen. Dann hat sich eben im Rahmen dieser Forschung herausgestellt, dass diese Ähnlichkeit kein Zufall ist und dass meine Großmutter tatsächlich ein uneheliches Kind von König Edward VII. ist, der eine Liebschaft mit meiner Urgroßmutter, Omma Agnes, Agnes Sattler, aus Marienbad hatte. Aus diesem Gspusi, aus diesem Techtelmechtel, ist meine Großmutter hervorgegangen."
Hape Kerkeling kommt uns wieder ein Stück näher
Eine unfassbare Entdeckung, sollte es denn wirklich so gewesen sein. Seine Oma die uneheliche Tochter eines Königs, was bedeutet das für Hape Kerkeling? "Wäre sie in der Thronfolge gewesen, dann wäre ich heute in etwa auf Platz 111. Ob ich König werden will? Ja, aber ich werd es nicht", sagt der Autor und lacht leise.
"Gebt mir etwas Zeit" ist ein unterhaltsames und anrührendes Buch über Herkunft und Zugehörigkeit. Nach der Lektüre ist uns der Mensch Hape Kerkeling wieder ein Stück näher gekommen. Und wir ertappen uns bei dem Gedanken, wer wohl unsere Vorfahren waren.
Die Filmemacher Erik Friedler und André Schäfter haben eine Dokumentation von dem Comedian gedreht: "Total Normal", die am 2. Oktober Deutschlandpremiere im Rahmen des Filmfests Hamburg feiert. Hape Kerkeling ist dabei zu Gast. Der Film begleitet Kerkeling an wichtige Stationen seines Lebens und zeigt seinen Wandel vom Entertainer zum seriösen Autor, der sich gegen Antisemitismus und Diskriminierung von Homosexuellen einsetzt. Der Termin in der Hapag Lloyd Zentrale am Ballindamm in Hamburg ist ausverkauft, Restkarten gibt es gegebenenfalls an der Abendkasse.
Gebt mir etwas Zeit
- Seitenzahl:
- 368 Seiten
- Verlag:
- Piper
- Bestellnummer:
- 978-3-492-05800-1
- Preis:
- 24,00 €