"Fernwehland": Kati Naumanns Roman über die Liebe zur See
In ihren Romanen verbindet Kati Naumann ihr Gespür für historische Stoffe mit einfühlsamen Gegenwartsbeschreibungen. Ihr neues Buch "Fernwehland" erzählt die Geschichte des Kreuzfahrtschiffes "Astoria".
Eine der beiden Geschichten, die miteinander verflochten sind, spielt 1938 in Kötzschenbroda an der Anlegestelle der Dampfschifffahrtsgesellschaft auf der Elbe. Dort hat Kati Naumann ihre Recherchen begonnen. Aber nicht nur die historischen und technischen Hintergründe sind sorgfältig recherchiert, die Autorin hat auch die Gabe, ihre Figuren liebevoll vorzustellen. Eine davon ist Dora, eine tüchtige junge Frau, die nach dem Tod ihres Mannes bei ihrer lieblosen Schwiegermutter einziehen muss. Die macht ihr das Leben zur Hölle. Aber sie hat ihr Kind, den vergnügten kleinen Erwin, der seine Mutti über alles liebt. Dora arbeitet hart auf einem Ausflugsdampfer, der als Fährschiff auf der Elbe eingesetzt ist, und ihr Sohn versucht immer wieder, bei ihren seltenen Pausen am Ufer zu sein, um kostbare Zeit mit ihr zu verbringen. Seine Liebe zur See wird am Elbufer geweckt.
Der Traum, zur See zu fahren
Stück für Stück erfahren wir, wie die Familie die Nazizeit und die harten Kriegsjahre übersteht und das Leben zu DDR-Zeiten beginnt. Erwins Traum zur See zu fahren, zerplatzt, als er mit Marion eine kleine Familie gründet. Aber viele Jahre später, als Großvater, wird er mit seinem Enkel Henri wieder am Elbufer sitzen: "Die lassen Schiffchen ins Wasser und stellen sich vor, wie dieses Schiffchen die ganze Elbe entlangfährt und die Grenze überwindet. Die Elbe ist geteilt wie Deutschland, und sie stellen sich vor, wie das Schiff in Hamburg rauskommt und ins große Meer fährt. Diesen Traum nimmt Henri von seinem Vater mit, und er will dann zur See fahren. Das ist zu DDR Zeiten nicht so einfach gewesen, den Seefahrtschein zu bekommen, weil man Angst vor Republikflucht hatte."
Henri wird später den Traum, zur See zu fahren, verwirklichen. Er heuert als Matrose auf einem Schiff an, einem ehemaligen Kreuzfahrtschiff der DDR. Unter dem Namen "Völkerfreundschaft" durfte es als Einklassenschiff sozialistische Häfen anlaufen. Dort lernten sich Henri und die Stewardess Simone kennen. Viele Jahre später geht das Schiff unter dem Namen "Astoria" für eine britische Reederei auf Kreuzfahrt. Zu der Zeit, als Kati Naumann ihren Roman schrieb, lag die Astoria in Rotterdam: "Ich habe mir ein Wassertaxi genommen und den Fahrer bestochen, dass der mich von der Wasserseite heranfährt. Der hat sehr geschickt dieses Schiff umrundet, und ich konnte es von allen Seiten sehen und sogar berühren."
"Fernwehland": Eine sinnliche Lektüre
Die sinnlichen Erfahrungen während der Recherche sind im Roman bei der Lektüre zu spüren. Es geht also auch um ein besonders Stück Schifffahrtsgeschichte. Auf der anderen Seite versteht Kati Naumann es, so von einem kleinen Jungen und etwa dem Erobern einer künstlichen Blume auf dem Jahrmarkt für seine Mutter zu erzählen, dass man alles intensiv miterlebt. Eine schöne Lektüre, in der beschrieben wird, wie Familien Krisen überstehen und Wünsche sich - gelegentlich auch wider die Vernunft - erfüllen.
Fernwehland
- Seitenzahl:
- 416 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Harper Collins
- Bestellnummer:
- 978-3-365-00743-3
- Preis:
- 24 €