Essay "Trotz": Persönliche Bekenntnisse von Ronja von Rönne
Ronja von Rönne galt mal als die Rotzgöre der deutschen Literatur. Inzwischen hat sie zwei Romane veröffentlicht und sich mit einer Philosophie-Sendung auf Arte hervorgetan. Ihr neuer Essay "Trotz" ist ihr bisher persönlichstes Buch.
Schon das Layout kommt trotzig daher: Die Seitenzahlen stehen auf dem Kopf, Blitze umzucken den lilafarbenen Schriftzug auf dem Cover von "Trotz". Und in dem Wort steckt ja auch das Wort "Rotz" - gleich denkt man an Kinder, die sich schreiend auf den Boden schmeißen und mit den Füßen trampeln. "Ja, genau so habe ich mir das auch ungefähr vorgestellt und manchmal verhalte ich mich auch dementsprechend." Erst gestern, so erzählt Ronja von Rönne bei einem Treffen auf einem Berliner Spielplatz bei ihr um die Ecke, da sei sie trotzig geworden, als sie auf der Landstraße im Auto unterwegs war: "Jemand hat hinter mir total gedrängelt, und ich bin schon 102 oder so gefahren. Ich hasse es, wenn Leute mir eng auffahren, da werde ich echt trotzig, und dann bin ich mit 70 vor dem hergefahren, vielleicht zwischendurch 60. Er konnte auch nicht überholen. Das ganze habe ich vielleicht eine halbe Stunde lang gemacht - je mehr der gehupt hat, desto besser. Ich steigere mich dann rein wie so ein Dreijähriger, das kann ich generell viel zu gut."
Trotz als Kraftquelle und Blockierer
In ihrem Essay nähert sie sich dem Trotz von verschiedenen Seiten an: als Kraftquelle und Motor, etwa im Großen, wenn Frauen im Iran ihr Kopftuch abwerfen. Oder als Bremse und Blockierer, etwa, wenn Menschen aus Trotz rechts wählen oder Verschwörungserzählungen mehr glauben als Fakten. Vom großen Ganzen, von historischen und politischen "Trotz-Momenten", kommt Ronja von Rönne auf Persönliches und umgekehrt. Trotz ist für sie Lebenselixier und Überlebensstrategie: "Bei mir war Trotz auch immer viel Selbstschutz. Gerade wenn ich merke, dass von außen viel Gegenwind kommt, mache ich erst recht weiter. Das ist großes Glück, dass ich so bin, weil ich glaube, dass mich viele Sachen sonst nur unter sich begraben hätten. Ob das dann gesund ist, ist was anderes."
Gegenwind gab es genug, als Ronja von Rönne, damals 23 Jahre jung, in die Feuilleton-Manege stieg. Mit dem Text "Warum mich der Feminismus anekelt" polarisierte und provozierte sie. Ein Shitstorm brach über sie herein, sie brauchte sogar Polizeischutz. In ihrem Buch blickt sie versöhnlich auf die Ronja von damals: "Ich stand ziemlich allein damit auf weiter Flur. Dann trotzig weitergemacht zu haben und nicht aufzugeben, ist etwas, worauf ich im Nachhinein sehr stolz bin."
Ronja von Rönne: Rotzig wie immer
"Trotz" ist ihr persönlichstes Buch, sagt Ronja von Rönne. Sie erzählt von schweren Lebenskrisen, von ihrer Depression und dem ersten Klinikaufenthalt. Von ihrem besten Freund Martin, der aus Trotz seine Diabetesmedikamente nicht nimmt und deshalb ein Bein verliert. Es geht um den Zirkus des Literaturbetriebs, um Selbstzweifel, Verweigerung und Angst. In diesen persönlichen Bekenntnissen und Momenten ist das Buch am stärksten. Ronja von Rönne ist erwachsen geworden, so scheint es, mit sich im Reinen, ehrlich und selbstkritisch. Ihr Humor aber, ihre Selbstironie, ist zum Glück so rotzig wie immer.
Trotz
- Seitenzahl:
- 112 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-28371-7
- Preis:
- 15 €