Erzählband "Tage zählen": Künstlernöte und fliegende Drachen
In seinem neuen Erzählband überzeugt der Hamburger Autor Alexander Posch mit seinem Gespür für surreale Situationen und einer Begabung fürs Groteske.
Zehn Jahre lang hat es von Alexander Posch kein Buch mehr gegeben - bis jetzt. Bis sein Freund und Schriftstellerkollege Michael Weins ihn ermunterte, unveröffentlichte Kurzgeschichten zusammenzustellen. Denn geschrieben hat Alexander Posch in den letzten Jahren trotzdem. "Ich mache immer Veranstaltungen, ich bin auf Lesebühnen beteiligt oder habe spezielle Themenabende", erzählt er. "Dazu schreibe ich immer neue Geschichten, weil ich das möchte. Sonst langweile ich mich. Und ich mache relativ viele Schulprojekte, wo ich das Schreiben von den Schülerinnen begleite, aber ich auch selber immer angeregt bin zum Schreiben."
29 Erzählungen über "alles Mögliche"
Die Erfahrungen mit den Jugendlichen haben deutliche Spuren in dem neuen Band "Tage zählen" hinterlassen. Das zeigt sich schon in der ersten Erzählung, deren Titel "Erste Liebe" alles sagt. Damit spannt Alexander Posch einen ziemlich bunten Bogen, der bis zur letzten Erzählung, "Bananenjunge", reicht. Es geht darin ebenfalls um eine Liebesbeziehung. Aber während der Anfangstext doch etwas sehr simpel aufgebaut ist, zeigt der Autor hier sein literarisches Können. Denn in der Geschichte gelingt es dem 56-Jährigen auf wunderbar zärtlich-schräge Weise, einen fliegenden Drachen zum Leben zu erwecken. Das klingt dann auch noch glaubhaft und zeigt, wie vielfältig die insgesamt 29 kurzen Erzählungen sind.
"Ich glaube, ich hatte so eine Jungmann-Perspektive, als ich bewusst anfing zu veröffentlichen", sagt Posch. "Na klar hatte ich so eine Kinder-Perspektive, als ich zu Hause für mich geschrieben habe. Oder eine Jugendlichen-Perspektive, als ich an einer Schülerzeitung mitgeschrieben habe. Jetzt maße ich mir an, aus allen Perspektiven zu schreiben, aus weiblichen Perspektiven oder von irgendwelchen Fabelwesen, die irgendwas erleben. Ich schreibe alles Mögliche."
Alexander Poschs Gespür für surreale Situationen
Alles variiert rasant in dem Erzählband, von lebensgroßen Silberfischen bis hin zum etwas blassen Sozialrealismus der Titelgeschichte "Tage zählen", in der die Frau eines Seemannes zu Wort kommt. Und doch kehren bestimmte Motive immer wieder: Anklänge an die Corona-Zeit etwa. Auch Familienväter spielen öfter eine Rolle. Als eine dieser Figuren in der Kurzgeschichte "Die Nagelbombe" von der Polizei erfährt, dass der Sohn nicht alleine vom Schuldach herunterkommen wollte, lässt Alexander Posch den Vater folgendermaßen reagieren:
"Ja", stimme ich zu, "unser Sohn hat etwas katzenhaft Eigenwilliges." Leseprobe
So originell, prägnant und witzig formuliert ist auch die beste Geschichte in dem Band, "Im Kreisel". Ein unbekannter Komponist bekommt hier ein Stipendium in einer Ein-Zimmer-Wohnung in der lautesten Gegend des Hamburger Stadtteils Billstedt.
Leider deckt mein Stipendium nur die Wohnkosten. Also gehe ich in die Filialen der Bäckereien, in Supermärkte und Drogerien und kaufe mir dort Kleinigkeiten. Ich bezahle mit einem Fünf-Euro-Schein und behaupte, wenn ich das Rückgeld bekomme, ich hätte mit einem Zehn-Euro-Schein bezahlt. Zu meiner Studentenzeit funktionierte das manchmal nicht, heute wirke ich seriöser. Leseprobe
Die Nöte des in jeder Hinsicht prekären Künstlers als eine sehr menschliche Tragikomödie darzustellen - das ist die große Stärke von Alexander Posch. Einige seiner Kurzgeschichten bleiben etwas oberflächlich. In den meisten überzeugt der Hamburger Autor aber mit seinem Gespür für surreale Situationen und einer Begabung fürs Groteske - verdichtet auf kompakten 160 Seiten. Wen das anspricht, der sollte diesen Erzählband unbedingt lesen.
Tage zählen
- Seitenzahl:
- 160 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Minimal Trash Art
- Bestellnummer:
- 978-3-9814175-8-6
- Preis:
- 16 €