"Ein sicherer Ort": Satire über eine Welt voller Bedrohungen
In seinem neuen Roman "Ein sicherer Ort" liefert der spanische Schriftsteller Isaac Rosa eine Satire auf das Sicherheitsbedürfnis der Menschen, die umfassende Hilflosigkeit angesichts drohender Zukunftsszenarien.
In den Villen der Reichen sei es längst Standard, will der Ich-Erzähler glauben machen: private Bunker, sichere Orte, wo der Hausherr samt Familie Katastrophen aller Art überleben könnte. Doch was ist mit dem Mittelstand und den weniger vermögenden Leuten? Auch sie möchten vorsorgen. Der Ich-Erzähler hat eine Geschäftsidee daraus entwickelt: Er verkauft kleine Bunker für kleines Geld, sozusagen im Schrebergartenformat, für alle erschwinglich. Als Vertreter seiner eigenen Geschäftsidee geht er von Haustür zu Haustür:
Im Fernsehen liefen die Vormittagsnachrichten, und alles war extrem sauber und ordentlich, wie man es eben von Witwen kennt. Das ist jetzt zu einfach, sagte ich mir, und du wirst es nicht glauben, aber ich spürte in diesem Moment einen Tick Unwohlsein. Mein zum Skelett abgemagertes Gewissen, das hin und wieder leise an der Türe kratzt, um zu zeigen, dass es noch vorhanden ist. Leseprobe
Rette sich wer kann!
Gnadenlos komisch und bisweilen böse porträtiert Isaac Rosa eine Gesellschaft, in der Ängste aller Art wuchern. Viele davon vielleicht zurecht, aber die Schlüsse, die die Menschen daraus ziehen, sind dubios. Man könnte es zusammenfassen als den Impuls: Rette sich wer kann! Besonders auf die Nerven gehen dabei dem Ich-Erzähler die Naturschwärmer. Er nennt sie die "Tonkrüge", die glauben, dass eine Flucht zurück aufs Land eine Lösung sein könnte.
Die Mehrheit hatte selbstverständlich nichts anderes im Sinn, als vom Grundeinkommen zu leben und die Beihilfen abzusahnen, sie wollten an einem ruhigen und erschwinglichen Ort wohnen, ihre Kinder in der idealisierten Natur aufziehen, im Homeoffice eine schöne Aussicht genießen. Leseprobe
"Ein sicherer Ort": Elegant formulierter Roman zum Schmunzeln
Der Bericht dieses Vertreters für kleine Bunker, kleine sichere Orte, ist in der Du-Form geschrieben. Er erzählt die ganze Geschichte seinem dement gewordenen Vater, der vor einigen Jahren auch eine hervorragende Geschäftsidee hatte. Er hat eine Kette mit Kliniken gegründet, in denen arme Menschen ihre Zähne für wenig Geld reparieren lassen konnten. So lautete das Versprechen, aber es war eben doch nur Pfusch. Der Vater wurde angeklagt, verurteilt und ging ins Gefängnis. Er verlor sein soziales Umfeld, aber vielleicht hat er auch nie dazugehört, zum Club der reichen Erfolgsmenschen. Das Scheitern des Vaters belastet auch alle Versuche seines Sohnes, erfolgreich als Geschäftsmann zu werden.
Isaac Rosa ist ein Roman mit einer immer wieder verblüffenden Grundidee gelungen. Ein Roman, bei dessen Lektüre man kichert, schmunzelt und gelegentlich denkt: Haargenau so ist es, ich hätte es nur nicht so elegant formulieren können. Zum Schluss schwebt dann doch noch ein Engel durch den Text. Isaac Rosa erstaunt mit einer großen Liebeserklärung und Versöhnung.
Ein sicherer Ort
- Seitenzahl:
- 320 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Spanischen von Luis Ruby
- Verlag:
- Liebeskind
- Bestellnummer:
- 978-3-95438-174-6
- Preis:
- 24 €