"Ein Hund mit Flügeln": Humorvolle Erzählungen von Paul Maar
Paul Maar ist einer der bekanntesten Kinderbuchautoren Deutschlands. Am 13. Dezember wird er 85 Jahre alt. Aus diesem Anlass ist der Band "Ein Hund mit Flügeln" mit bisher unveröffentlichten Texten aus mehreren Jahrzehnten erschienen.
Gleich auf dem Einband ist ein zauberhafter kleiner Hund mit hellgrünen Flügeln. Dabei gibt es ihn eigentlich auch auf dem Papier gar nicht, nicht einmal in der Kurzgeschichte von Herrn Lampert, die neben vielen anderen Texten in dem Buch zu finden ist. "Herr Lampert ist ein Küchenphilosoph, der etwa tiefsinnig einen Fingerhandschuh anschaut und sagt: Die menschliche Natur ist immer wieder zu bewundern, da hat sie doch die Hand so geformt, dass sie genau in einen Fingerhandschuh passt", erklärt Paul Maar.
"Er zeichnet einen Hund mit Flügeln, ist begeistert, will das Blatt seiner Frau zeigen - und die sagt: 'Warum zeigst Du mir ein leeres Blatt?' Und er sagt: 'Ach, ich hätte ihm keine Flügel zeichnen sollen, jetzt ist er weggeflogen.'"
Rund 30 dieser ebenso lakonischen wie gewitzt-lebensklugen Geschichten sind in dem Band versammelt. Sie erinnern nicht von ungefähr an die Geschichten von Herrn Keuner von Bertolt Brecht, sagt Paul Maar: "Ich habe nicht dem großen Bert Brecht Konkurrenz machen wollen, aber ich habe mich davon inspirieren lassen."
Paul Maars unverstellter Blick auf die Welt
Der Humor ist der gleiche wie in den Kinderbüchern, der Blick auf die Welt direkt und unverstellt. Trotzdem lernt man in diesen so verschiedenen Texten einen anderen Paul Maar kennen. Viel hat er aus seinen Tagebuchnotizen geschöpft. Er erzählt von Reisen, unter anderem nach New York - hier hat er seinen Schwager, den 2017 verstorbenen Kameramann Michael Ballhaus, bei Dreharbeiten begleitet - oder nach Moskau.
Aus dem skurrilen Aufenthalt mit Schriftstellerkollegen macht er kurzerhand ein Dramolett. Außerdem taucht in einer Erzählung ein Mann auf, Philipp, der Sams-Freunde unweigerlich an Herrn Taschenbier erinnern dürfte. Er scheint im eigenen Leben verloren und stolpert von einer merkwürdigen Situation in die nächste. "Er ist einer, der ständig sein Auto im Parkhaus nicht findet oder wenn er es findet, dann vergessen hat, den Parkschein zu entwerten. Der Schlussgag, den wird wahrscheinlich keiner erkennen: Sein Auto ist abgestorben und zwar in der Römerstraße. Ganz am Schluss sagt er, er müsste jetzt in die Rosenstraße und sein abgestelltes Auto abholen".
Paul Maar: Ein Autor mit Reimzwang
Unsinniges und Tiefsinniges - Paul Maar verbindet beides und hat seinen Spaß dabei und daran. Noch immer. Viel ist zu entdecken, auch Gedichte dürfen natürlich nicht fehlen. Denn ähnlich wie das Sams leidet der Autor unter Reimzwang: "Ich habe fast das Gefühl, dass es eine Vorstufe zur Schizophrenie ist. Es ist zumindest ein Tick, könnte man sagen, weil ich das nicht abstellen kann."
Hundertfünfundzwanzig Dohlen
fliegen heimlich und verstohlen
um den Topf mit heißem Brei.
Hundertvierundzwanzig Dohlen
fliegen heim, um was zu holen,
denn nur eine von den Dohlen
hat den Löffel mit dabei.
Leseprobe
Nicht alle Gedichte kommen so leicht daher. Das letzte in diesem Buch, "Nele", erzählt von seiner Frau, die seit einigen Jahren an Alzheimer erkrankt ist. Für sie, schreibt Paul Maar, sei Sprache nur noch "ein Geräusch ohne Sinn". Da versagen sogar die Reime:
Doch wenn ich deine Nase
zwischen meine Finger nehme
und sanft dran rüttle,
lächelst du
wie früher.
Leseprobe
Ein Hund mit Flügeln
- Seitenzahl:
- 176 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- S. Fischer
- Bestellnummer:
- 978-3-10-397157-6
- Preis:
- 22 €