"Ein Haus und seine Hüter": Habgier, Wollust und Machthunger
In den Büchern wie im neuen "Ein Haus und seine Hüter" von Ivy Compton-Burnett scheint es um langweilige Landhäuser zu gehen, bewohnt von Leuten, die sich nicht ausstehen können. Aber das ist nur die Hülle ihrer faszinierenden Texte voller Humor und Grausamkeit.
Das Vorwort der mittlerweile verstorbenen Bestsellerautorin Hilary Mantel ("Wölfe") öffnet die Türen in diesen Roman mit Schwung und Eleganz. Für sie ist es eines der lustigsten Bücher überhaupt - und das, obgleich es um zeitlose Leidenschaften geht wie Habgier, Wollust und Machthunger. Wenn bei Ivy Compton-Burnett jemand nach Hause kommt und ein wärmendes Feuer vorfindet, dann vermutlich, weil jemand gerade ein Testament verbrennt. Wenn jemand eine Schublade abschließt, kann man davon ausgehen, dass sie später aufgebrochen wird.
Compton-Burnetts Romane bestehen fast nur aus Dialogen
Ihre Romane spielen in abgeschlossenen Gesellschaften - in Internaten oder den Kinderstuben, Wohn- und Esszimmern verwitterter Landsitze, in denen mehrere Generationen einer Familie, belauscht von den Nachbarn und bedient von einer ganzen Horde von Köchen, Butlern, Stiefelputzern und Gärtnern, Urdramen aufführen und erleben. Boshaftigkeit wird in diesen vornehmen Familien nur selten bestraft - meist wird sie nicht einmal benannt. Die Schuldigen gedeihen, um weitere, schwere Sünden zu begehen. Leseprobe
So beschreibt es Hilary Mantel. Wenn eine von Ivy Compton-Burnetts Figuren bemerken sollte, dass sie einfach den Landsitz verlassen, sich in freundlichere Gefilde begeben könnte, wird sie hineingehen, um von innen den Riegel vorzuschieben. Zu ihrem zuerst sehr seltsam anmutenden Stil gehört, dass ihre Romane fast nur aus Dialogen bestehen. Das macht die Lektüre am Anfang mühsam, aber sobald man sich daran gewöhnt hat, ist es ein unglaubliches Vergnügen.
Mit britischem Humor erzählte Grausamkeiten - auch zu Weihnachten
Am Weihnachtstag sagt eines der Familienmitglieder vor Spott triefend:
"Du hast keine Vorstellung, wie festlich es unter der Anleitung unseres Vaters zugeht." "Armer Papa!" sagte Sibyl. "Ich fürchte, er ist sehr enttäuscht von uns." (…) "Denkt doch nur, wie viel besser wir sind als er" sagte Grant. "Wenn du meinst, dich bessern zu können Sibyl, dann tu es", sagte Nance. "Ich für meinen Teil sehe da keinen Spielraum." Leseprobe
Es ist nahezu unmöglich, die Handlung dieses Romans schlüssig zusammenzufassen. Der Patriarch der Familie Duncan Edgeworth hat Weihnachtsgeschenke für seine erwachsenen Kinder vorbereitet. Natürlich ist er unfassbar geizig und wetzt die verbalen Messer, um sie alle zu beleidigen.
Das Buch, das ein Neffe als Geschenk bekommen hat und zum Besuch mitbringt, wird in den Kamin geworfen. Später im Roman stirbt Duncans Ehefrau, nachdem sie - das wird vom ihm kritisch registriert - nicht zum Abendessen erschienen war. Es gibt eine Affäre, eine Scheidung, und ein Säugling wird in der Wiege ermordet. Das alles ist in ausgesucht gewählter Sprache kommentiert. Hier verliert niemand die Contenance. Man lebt von den Einkünften der Ländereien, arbeiten muss nur das bedauernswerterweise knapp werdende Personal.
Es ist ein sehr britischer Humor bei Ivy Compton-Burnett. Vermutlich erschließt er sich nicht allen Leserinnen und Lesern. Aber die oft so grausam wirkenden Personen in ihrem Roman sind so tief einsam, dass man ihnen nur mit lächelnder Güte begegnen kann.
Ein Haus und seine Hüter
- Seitenzahl:
- 372 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen übersetzt von Gregor Hens; mit einem Vorwort von Hilary Mantel
- Verlag:
- Die Andere Bibliothek
- Bestellnummer:
- 978-3-8477-0469-0
- Preis:
- 48 €