Cover: Katja Oskamp "Die vorletzte Frau" © Park & Ullstein

"Die vorletzte Frau": Ein Leben voller Sex und Text

Stand: 12.09.2024 06:00 Uhr

In "Die vorletzte Frau" schreibt Katja Oskamps über zwei Menschen, die sich in einem Lehrer-Schülerinnen-Verhältnis am Leipziger Literaturinstitut kennenlernen, die Literatur lieben und letztendlich auch einander.

von Claudia Cosmo

Die Ich-Erzählerin in Katja Oskamps Roman "Die vorletzte Frau" ist unglücklich verheiratet, Mutter einer Tochter und 19 Jahre jünger als ihr Dozent, der ein erfolgreicher Schweizer Schriftsteller ist und Tosch heißt. Beide fühlen sich voneinander angezogen und empfinden ihre gemeinsame Begegnung als eine Art Errettung.

Nachdem ihre Ehe auseinandergebrochen ist, zieht die Erzählerin mit der Tochter nach Berlin, wo die Beziehung zu Tosch beginnt. Die findet nur an den Wochenenden in getrennten Wohnungen statt, in denen literarische Texte lektoriert und körperliche Bedürfnisse im sogenannten Lotterbett ausgelebt werden.

Virtuos jonglierten wir mit dem Auftrag, uns einander auf Gedeih und Verderb zuzumuten mit allen Meisen und Absonderlichkeiten. Sex und Text nannten wir die Gemengelage, die unser Leben war. Dies, dachte ich damals, dachte ich später, denke ich heute, findest du nie mehr. Leseprobe

Tosch ermutigt seine Geliebte, ihre Texte zu veröffentlichen. Doch es ist klar, dass er der Star ist, der als gefeierter Autor das Geld verdient und Karriere macht; eine klassische Konstellation, mit der die Erzählerin kein Problem hat:

Ich war gern unten. Ich wollte nicht oben auf der Bühne stehen und glänzen, ich wollte unten im Dunkel des Parketts verweilen und denen da oben dienen. Wenn jemand ein Brötchen aufschnitt und mich fragte, welche Hälfte ich haben wolle, sagte ich: die untere. Leseprobe

 

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Oskamp schreibt über ihre Beziehung zu Thomas Hürlimann

Der Roman "Die vorletzte Frau" ist wie Katja Oskamps andere Bücher auch autobiografisch. Die Erzählerin stellt sich selbst mit Oskamp vor. Hinter Tosch steckt der Schweizer Autor Thomas Hürlimann, mit dem sie fast 20 Jahre lang eine Beziehung führte. Diese wird liebevoll-schonungslos und humorvoll mit literarischen Mitteln seziert. Die Frage, ob Hürlimann vielleicht seine Persönlichkeitsrechte verletzt sehen könnte, beantwortet die Romanfigur Tosch im Roman selbst:

Schreib über unsere Geworfenheit, aber schreib auch, dass wir hervorragend gegessen, den besten Wein gesoffen, wie die Könige getafelt haben. Leseprobe

"Die vorletzte Frau": Ein literarisches Spiel

In Katja Oskamps Roman geht es um Liebe, Leidenschaft, Trauer, Trauma, Krankheit, Literatur und Freundschaft. Es ist auch ein literarisches Spiel mit nachprüfbaren Fakten, die lediglich eine offizielle Version eines Menschenlebens abbilden.

Laut Wikipedia hat Tosch im Verlauf seines Schriftstellerlebens über zwei Dutzend Auszeichnungen erhalten. Die ersten zwölf fielen in die Zeit meiner Vorgängerin, die folgenden dreizehn in meine. Auf die sechsundzwanzigste Preisverleihung durfte ihn dann schon meine Nachfolgerin begleiten. Ich habe während der neunzehn Jahre mit Tosch laut Wikipedia zwei Auszeichnungen erhalten. Leseprobe

Am Ende des Romans kommt man jedoch zu dem Schluss, dass sich die Vielfältigkeit des Seins erst in der Literatur offenbart. Katja Oskamps "Die vorletzte Frau" ist ein tröstlicher Roman über das schicksalhafte Geworfenen-Sein des Menschen, dessen harter Aufprall nur mit Literatur abgefedert und transformiert werden kann.

Die vorletzte Frau

von Katja Oskamp
Seitenzahl:
208 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Park & Ullstein
Bestellnummer:
978-3-988-16020-1
Preis:
22 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 12.09.2024 | 12:40 Uhr

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