"Die Schrecklichen": Das Porträt einer orientierungslosen Frau
Pia Klemps Hauptfigur Gorgo trägt enorm viel Wut und Selbstzweifel in sich. Die immer mehr zu Tage tretende psychische Unausgeglichenheit der Protagonistin ist das Interessante an "Die Schrecklichen".
Die Gorgonen sind die Schwestern der Medusa, bei deren Anblick jeder Sterbliche zu Stein wird. Die Hauptfigur in Pia Klemps Roman "Die Schrecklichen" wird von ihren Freundinnen Gorgo genannt. Gorgo kommt in ihrem abgewetztem T-Shirt, den abgeschnittenen Jeans und mit ihrem grimmigen Gesichtsausdruck zwar nicht an die furchterregende Gestalt der schlangenköpfigen Mythosfigur Medusa heran. Dennoch schaut der Typ auf der Party Gorgo wie versteinert an. Sie verzieht keine Miene, geht nicht auf die Flirtversuche des jungen Mannes ein und mustert ihren Verehrer mit verächtlichen Blicken. Gorgo mag das Partyvolk um sie herum nicht. Sie fühlt sich anders als die anderen.
Die Leute hier haben Handtaschen und Hochschulabschlüsse. Alle sehen aus, als würden sie mehrmals am Tag duschen und auf Millimeterpapier träumen. Ich trinke mehr Bier, auf alles, was ich nicht mit ihnen gemein habe. Leseprobe
Unermüdlicher Kampf für gesellschaftliche Gerechtigkeit
Gorgo ist Feministin und kämpft gegen das Patriarchat. Sie isst kein Fleisch. Und diejenigen, die Fleisch essen, unterstützen in ihren Augen die Vorherrschaft des Patriarchats. Gorgos Auftreten ist provozierend bis aggressiv. Passt ihr irgendetwas nicht in den Kram, wird ihr Gegenüber entweder zurechtgewiesen, angepöbelt oder sogar körperlich bedroht. Gorgo ist eine genaue Beobachterin gesellschaftlicher Verhältnisse und glaubt das Recht auf ihrer Seite zu haben. Nur ihre eigenen Sichtweisen und Überzeugungen sind maßgeblich. Denkt und agiert man nicht wie sie, zählt man zu den "Schrecklichen".
Links wirbt ein überdimensioniertes Plakat für billige Steaks vom Discounter, im Kasten gegenüber empfiehlt sich eine Schreinerei mit nahezu entblößten drallen Brüsten. Ich möchte den Unfug von den Wänden kratzen und alternativ die Verantwortlichen dort aufhängen. Es hängen überall Körperteile zur Deko rum, Fetische totaler Zerstückelung. Leseprobe
"Du brauchst ein Leben, Gorgo!" empfiehlt ihr die beste Freundin Louisa. Doch in Gorgos Kopf rattert es andauernd. Zumindest ein wenig Entspannung findet sie bei einer Tasse Kaffee im Frauenhaus, das Gorgo mit ihren Freundinnen inoffiziell gegründet hat und betreibt. Ansonsten ist das Leben ein Schlachtfeld, auf dem Gorgo unermüdlich für gesellschaftliche Gerechtigkeit und besonders für die Rechte der Frauen kämpft.
Ihr Bemühen, für Andere einzustehen, lenkt von ihrem eigenen Leben ab und wird immer mehr zum Nebenkriegsschauplatz. Denn den wahren Kampf, so wird sich Gorgo allmählich bewusst, ficht sie mit sich selbst aus. Das Agieren nach Außen erschöpft sie zunehmend.
Eine junge Frau voller Wut und Selbstzweifel
Pia Klemps Hauptfigur Gorgo trägt enorm viel Wut und Selbstzweifel in sich. Sogar ihre heimlichen Liebesgefühle für Louisa hält Gorgo unter Verschluss. Pia Klemps Roman "Die Schrecklichen" zeichnet das Porträt einer orientierungslosen jungen Frau, die sich mit äußerem Aktionismus von ihrer eigenen inneren Misere ablenkt und ihr Umfeld hinters Licht führen will.
Die immer mehr zu Tage tretende psychische Unausgeglichenheit der Hauptfigur ist das Interessante am Roman, der die Leserinnen und Leser an so mancher Stelle sogar mit einer humoristischen Wendung überrascht.
Die Schrecklichen
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Maro
- Bestellnummer:
- 978-3-87512-673-0
- Preis:
- 22 €