"Die Hand Gottes": Diego Maradonas Leben als Graphic Novel
Der Fußballer Diego Maradona wurde weltweit verehrt - fast wie ein Heiliger. Die Autoren Ernesto Carbonetti und Paolo Baron zeichnen in ihrer Graphic Novel Aufstieg und Fall des Jahrhundert-Genies nach.
Wenn Diego Maradona spielte, war es mehr als Fußball. Sein unwiderstehliches Dribbling im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1986 gegen England krönte er mit dem Tor zum 2:0. Die FIFA kürte es später zum Tor des Jahrhunderts. "Von welchem Planeten bist Du gekommen!", schrie ihm der Radioreporter Victor Hugo Morales entgegen. Seine Reportage wurde zur Apotheose, sie hob Maradona über die Normal-Sterblichen hinaus: "Danke, Gott für den Fußball, Danke, Gott für Diego Maradona."
Das erste Tor des Spiels hatte Maradona mit der Hand erzielt, unbemerkt vom Schiedsrichter. Später sagte er, es sei die Hand Gottes gewesen, "la mano de dios". Dieser Treffer in dem durch den erst vier Jahre zurückliegenden Falklandkrieg symbolisch aufgeladenen Spiel gilt in Argentinien bis heute als das großartigeste Tor überhaupt. Hier hatte Maradona aus Sicht der südamerikanischen Fans den imperialistischen Erniedriger selbst erniedrigt: mit der Schlitzohrigkeit und Unverfrorenheit des Underdogs, der die günstige Gelegenheit nutzt.
Aufstieg und Absturz eines Idols
Die Graphic Novel, gestaltet vom italienischen Zeichner Ernesto Carbonetti und seinem Landsmann und Texter Paolo Baron, beginnt mit einer ganz in blau und weiß gehaltenen Szene aus Neapel am 10. Mai 1987, dem Tag, an dem der einstige Abstiegskandidat vom Fuß des Vesuvs, von Maradona geführt, zum ersten Mal den Meistertitel gewann.
Das Leben Maradonas wird erzählt aus der Sicht eines alten Mannes als Rückschau, getrennt in die zwei Teile "Aufstieg" und "Absturz": vom märchenhaften Weg aus einem Armenviertel in Buenos Aires zum gefeierten Idol und weiter zum drogenabhängigen und schwerkranken Mann.
Maradona - Der "menschlichste aller Götter"
Die Bilder, teilweise in Airbrush-Optik gehalten, entwickeln in ihrem Montage-Stil die Dynamik eines Spielfilms. Wichtige Stationen werden blitzlichtartig aufgerufen. Vertieft werden müssen sie von den Leserinnen und Lesern. Nichts wird ausgeblendet, auch nicht die zahlreichen Verfehlungen: Drogenkonsum, Steuerhinterziehung, Mafiakontakte. An Theatralik lässt der Band nichts zu wünschen übrig - suggestive Bilder von Genie, religiöser Überhöhung, Opfer, aber auch von sportlichen und gesellschaftlichen Regelverstößen: eine Mischung, die treffend ist für das Leben Maradonas.
Hier seine Genialität am Ball, seine Art, Fußball zu spielen, mehr der Schönheit und der Kunst, als der Strategie und der Planung verpflichtet. Und dort seine Eskapaden auf und neben dem Spielfeld. Aber diese konnten seinem Image nichts anhaben. Er wurde verehrt, von einfachen Menschen und von Intellektuellen. Der Autor Eduardo Galeano schrieb: "Diegos Genie und seine dunkle Seite machen ihn zum menschlichsten aller Götter." Die 124 Seiten im Hard-Cover fliegen nur so vorbei.
Am Ende steht das facettenreiche Bild eines Menschen vor Augen, der durch Fußball groß wurde, aber viel mehr war als ein Fußballer. Seine Widersprüche erzeugten erst den Heldenstatus, der vor allem in Regionen wie Argentinien und auch Süditalien funktionierte, wo die Menschen sich ihren Erlöser selbst schufen; aus der Sehnsucht nach Überschreitung der engen Grenzen und bescheidenen Möglichkeiten, die das eigene Leben bot. So wurde aus Maradona eine säkularisierte Verkörperung des bekannten Schlagworts von Karl Marx: "Religion ist das Opium des Volkes."
Die Hand Gottes
- Seitenzahl:
- 136 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Italienischen von Harald Sachse
- Verlag:
- Splitter
- Bestellnummer:
- 978-3-9872-1160-7
- Preis:
- 25 €