von Marie Schoeß

Konrad ist an einem Autobahnparkplatz zusammengebrochen und gestorben. Der Polizist steht vor der Haustür und überbringt Renata die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten, mit dem sie 25 Jahre zusammenlebte.

"Renata möchte einen Schrei ausstoßen, aber sie ist still. Sie schiebt die Laute in den Kehlkopf zurück, presst die Lippen aufeinander." Leseprobe

Sabine Grubers Roman "Die Dauer der Liebe" beginnt mit einer Schreckensnachricht, die die Hauptfigur Renata kaum verdaut. Ein innig miteinander verbundenes Paar wird durch den Tod auseinandergerissen.

"Thanatos und Hypnos, Tod und Schlaf, wohnen beide im Haus der Nacht. Sich schlafen zu legen, bedeutet, nicht mehr an Konrad denken zu können." Leseprobe

Denkt Renata hingegen an Konrads Familie, so wird ihr übel. Seine Mutter hält Renata für eine Schlampe, die ihren Sohn noch nicht mal geheiratet und ihm Kinder geschenkt hat.

Gruber baut eigene Interessen in ihre Figuren ein

Als Künstler und Architekturfotograf war Konrad genauso wie Renata besonders an den Bauten des italienischen Faschismus interessiert. Ein Gebiet, auf dem die Schriftstellerin Sabine Gruber ebenso firm ist. Die gebürtige Südtirolerin fügt in ihren Roman immer wieder Abschnitte ein, die sich mit diesem Thema beschäftigen. So lässt Gruber ihre Protagonistin beispielsweise an das "Quadratische Colosseum" in Rom denken, ein blockartiger Arkadenbau aus dem Jahr 1938.

"Die Anzahl der Arkaden, erinnert sich Renata, entspricht waagerecht der Zahl der Buchstaben in Mussolini, senkrecht sind es sechs Stockwerke, gemäß den Buchstaben in Benito. Der Name Renata würde auch passen, hatte Konrad damals gesagt." Leseprobe

Habgieriger Familienanhang

Konrads künstlerische Hinterlassenschaft birgt unzählige Fotografien, Zeichnungen, Collagen und Erinnerungsstücke, die Renata in der gemeinsamen Wohnung in Wien schmerzlich an die gemeinsame Zeit erinnern. Konrads Bruder verschafft sich sowohl in die Wohnung als auch in das kleine Landhäuschen Eintritt, das das Paar einst erworben hatte. Da es kein offizielles Testament gibt, nimmt die Familie in beiden Wohnstätten alles mit, was sie glaubt, noch verscherbeln zu können.

Innerer Rückzug

Als Schriftstellerin zieht Sabine Gruber unterschiedliche Register, um über Renatas inneren Rückzug und äußere Isolation zu schreiben. In den Erinnerungen an die gemeinsamen Jahre mit Konrad wird Renata beispielsweise zur Flaneurin, die in Gedanken durch Italien reist und an Konrad denkt. Durch andere literarische Bezüge wiederum verankert Gruber ihre Geschichte in philosophischen, literarischen und psychologischen Kontexten und lässt ihre Hauptfigur eine Entwicklung durchmachen.

Renata kapiert allmählich, dass sie sich schützen muss, da die Außenwelt ihre Erinnerungen an Konrad durch unüberlegte Bemerkungen beschädigt. Auch Konrads Mutter säht in Renata erhebliche Zweifel an Konrads Integrität. Hatte Konrad etwa eine Geliebte? Versteckte er Schwarzgeld in der gemeinsamen Wohnung? Und was hat es mit dem unbekannten Schlüssel auf sich?

Übergang in ein anderes Leben

Sabine Gruber transportiert ein breites Spektrum an äußeren und inneren Verstrickungen. So heißt es darauf anspielend humorvoll an einer Stelle:

"Renata überholt einen Lastwagen, auf dem die Aufschrift 'GRUBER- Transporte' steht. Es ist heute schon der dritte Sattelschlepper dieses Fuhrparks, den sie hinter sich lässt." Leseprobe

"Die Dauer der Liebe" veranschaulicht eindringlich den Kraftakt des Im-Leben-Bleiben-Müssens, wie es auch in den Texten von Joan Didion und Conny Palmen anklingt. Sabine Gruber hat aber auch einen transformatorischen Ansatz. Renata erkennt letztendlich, dass sie sich in einer langen Phase des Übergangs befindet, was im Roman mit dem Wort "Estunno" beschrieben wird; eine Wortkombination aus Italienisch "estate" für Sommer und "Autunno" für Herbst.

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