"Der längste Schlaf": Eine Wissenschaftlerin stolpert über ihre Träume
Als Thrillerautorin hat sich Melanie Raabe einen Namen gemacht. Auch in "Der längste Schlaf" verzichtet sie keinesfalls auf Spannung und psychologischen Thrill. Aber nun kommen auch noch Elemente des magischen Realismus hinzu.
Die junge, erfolgreiche Wissenschaftlerin Mara Lux, die Protagonistin in Melanie Raabes neuem Roman, lebt, lehrt und forscht in London. Ihr Fachgebiet ist der Schlaf beziehungsweise die Schlaflosigkeit. Und leider gehört auch sie zu der wachsenden Menge der Menschen, die nicht gut schlafen.
Schlaflosigkeit und die gesundheitlichen Folgen
"Schlaf ist so was Menschliches, ein großer Gleichmacher", erzählt Melanie Raabe. "Gleichzeitig hat es so eine gesellschaftliche Konnotation. Wie gehen wir mit Schlaf um? Belohnen wir das, wenn Menschen behaupten, wenig Schlaf zu brauchen? Halten wir diejenigen für schwach, die sagen, ich gehe jetzt aber ins Bett, ich muss morgen früh raus? Das schwingt da alles mit. Ich könnte mir vorstellen, dass ich nicht die Einzige bin, die sich darüber Gedanken gemacht hat. Es kulminiert so langsam, habe ich das Gefühl."
Das stimmt, denkt man nur an den kürzlich veröffentlichten Essay über den Schlaf von Theresia Enzensberger oder an die Protagonistin Juno aus dem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman "Hey guten Morgen, wie geht es Dir?" von Martina Hefter. Und auch außerliterarisch spielen Schlaflosigkeit und die gesundheitlichen Folgen eine immer größere Rolle.
"Mara ist eine moderne Kassandra"
Bei Mara Lux erfahren wir bald ein paar Gründe. Schon als Kind hatte sie Träume, die sich kurze Zeit später als prophetisch herausstellten. Den schlimmsten Fall erlebte sie an ihrem siebten Geburtstag, als sie den tödlichen Autounfall ihrer Eltern träumte. Sie warnte ihre Eltern flehentlich an diesem Tag, keinesfalls in ein Auto zu steigen. Aber sie hörten nicht auf sie.
"Ich habe gedacht: Wie interessant wäre es, wenn ausgerechnet diese wahnsinnig pragmatische, rationale Wissenschaftlerin etwas erlebt, das sie nicht erklären kann und was sie auch am liebsten wegdrücken würde? Weil es wissenschaftlich nicht erklärbar ist, weil sie sich ganz sicher ist, dass alle Wissenschaftlerinnen, die sie kennen, sie für eine Spinnerin halten würden - und sie sich selbst auch. In diese Bredouille wollte ich meine Hauptfigur gerne führen. Im Grunde ist Mara eine moderne Kassandra. Sie ahnt Dinge voraus, aber die Leute hören nicht auf sie. Das endet oftmals tragisch", so Raabe.
Melanie Raabe über literarische Geister
Eine moderne Kassandra, die mit allen Mitteln versucht ihre Begabung durch wissenschaftliches Arbeiten zu unterdrücken. Aber dann bekommt sie in einem hessischen Dorf eine Villa vererbt, von einem alten Mann, den sie nicht kennt. Nach anfänglichem Zögern fährt sie dorthin, um sich die Villa Limmerfeldt einmal anzuschauen, und macht dort erstaunliche und sehr irritierende Entdeckungen. Auch Geister scheint es dort zu geben. "Ich glaube an literarische Geister", sagt Raabe. "Ich weiß nicht, ob ich im echten Leben an Geister glaube. Ich finde es aber eine interessante Frage: wer wir sind, was unser Bewusstsein ist, und was von uns zurückbleibt, wenn wir gestorben sind. Das ist eine der vielen Fragen, die ich im Roman vielleicht nicht beantworte, aber die ich zumindest stelle."
"Der längste Schlaf": Ein echter Pageturner
Der Roman verknüpft zwei Handlungsstränge, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen und dann immer mehr aufeinander zulaufen. Das Geschwisterpaar Lucy und Kai ist in einen Brunnen gefallen, weit ab vom nächsten Ort, sodass sie kein Mensch hören kann. Aber was hat Mara mit Lucy zu tun? Melanie Raabe versteht sich auf Cliffhanger und auf einen einfachen, leicht zugänglichen Sprachstil. Vorsicht! Wer einmal angefangen hat zu lesen, wird das Buch nicht wieder aus der Hand legen können. Ein echter Pageturner!
Der längste Schlaf
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- btb
- Bestellnummer:
- 978-3-442-75930-9
- Preis:
- 24 €