Bildschöne Bücher: Zwei Bildbände mit Fotografien von Lee Miller
Die Bände "Fotografien" und "Fotografin zwischen Krieg und Glamour" über Lee Miller erzählen anhand von raffiniert ausgeleuchteten, skurrilen, lebensfrohen und auch grauenhaften Fotografien vom Mut einer unfassbaren Frau.
Fotojournalistin, Kriegsberichterstatterin, Muse des Surrealismus und Supermodel: Lee Miller schien zwischen 1907 und 1977 gleich mehrere Leben zu leben. Im Bucerius Kunst Forum in Hamburg geht gerade eine Ausstellung über sie zu Ende. Wer sie verpasst hat, kann sich mit dem Ausstellungskatalog aus dem Hirmer Verlag trösten oder in einem neuen Bildband blättern, den ihr Sohn soeben herausgegeben hat.
Antony Penrose erzählt die Karriere seiner Mutter als Fotografin
Vorne: Eine Frau mit Elfenbeinhaut. Perfekt geschminktes Gesicht, perfekt ausgeleuchtet. Wellenförmig umspielt das Haar Stirn und Nacken. Eine Studioaufnahme, ein Selbstporträt. Hinten: Dieselbe Frau, in Trümmern und auf einer alten Zeitung sitzend. Eine Feuermaske verdeckt ihre Augen. London, 1941. Glatt heben sich die beiden Bilder vom gerippten Buchdeckel ab. Als wären sie gerahmt.
"Lee Miller. Fotografien" heißt der Band schlicht, erschienen im Elisabeth Sandmann Verlag, herausgegeben von Lee Millers Sohn Antony Penrose. Er erzählt anhand von Bildern die Karriere seiner Mutter als Fotografin nach. Von der Zeit in Paris, wo sie den Surrealisten Man Ray inspirierte - und umgekehrt: Gabel, Messer, Löffelchen und ein weißer Teller. Darauf: Eine amputierte Brust. Ledrig die Haut. Wie Gedärme quillt das Fleisch darunter hervor.
Er erzählt von der Rückkehr nach New York, der Eröffnung ihres Fotostudios: Das feine, weiße Gesicht einer zierlichen Frau taucht auf, aus vollkommener Dunkelheit. Licht und Schatten, der extreme Kontrast, eine Täuschung; der schwebende Kopf.
Von den ausgedehnten Ausflügen in die Wüste, nach Ägypten, 1937: Der Wind hat den Sand in wulstige Falten gelegt. Sie zeigen nach oben. Auf den Sandsträngen: winzig kleine Vogelspuren. Wo sind sie hingegangen?
Ende der Idylle: Lee Miller wird Kriegsfotografin
Es folgten Reisen durch Europa mit ihren Künstlerfreunden - darunter der neue und ewige Mann in ihrem Leben: Roland Penrose. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beendet die Idylle. Lee Miller ist in London und bleibt - entgegen allen Ratschlägen der US-Botschaft. Ihr Kommentar: "Ich habe die Butter bekommen, jetzt nehme ich auch die Kanonen an."
Ihre Waffe in diesem Krieg ist ihre Kamera. Das Profil zweier Frauen in einem riesigen Suchscheinwerfer; zwei hohe Holzständer mit vielen kurzen Stäben. Auf beinahe jedem Stab: ein abgestreifter Chirurgenplastikhandschuh, frisch sterilisiert. Wonach greifen diese Handschuhe? Eine Frau in warmen Stiefeln und mit dicker Jacke erklimmt einen klobigen Torpedobomber. Fast angekommen, blickt die Pilotin mit einem Lächeln zurück.
Lee Miller wird Kriegsfotografin der US-Armee und berichtet für die "Vouge". Nach London folgen die Invasion in der Normandie, die Belagerung von Saint-Malo, die Befreiung von Paris. Lee Miller fotografiert Luftangriffe, Explosionen, verwundete und kriegsgebeutelte Menschen, meist Frauen und Kinder.
"Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour"
Viele dieser Bilder sind auch im Katalog zur Ausstellung im Bucerius Kunst Forum zu finden unter dem Titel "Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour" - allerdings aus kunsthistorischer Sicht kommentiert. Das Kapitel über die befreiten Konzentrationslager Buchenwald und Dachau wurde auf schwarzes Papier gedruckt. Nicht alles, was Lee Miller dort gesehen hat, lässt sich in Fotos festhalten, heißt es an einer Stelle: "Den Gestank von Dachau in meiner Nase bin ich nie wieder losgeworden."
Lee Miller in Hitlers Badewanne
Und dann ist da das Foto von Lee Miller in Hitlers Badewanne. Ikonisch. Miller wäscht sich mit einem Lappen den Dreck von der nackten Haut. Ihre Kriegsstiefel warten auf einer kleinen Badematte vor der Wanne. Ein gerahmtes Bild des Führers steht gefährlich nah an der Kante. Er war zu dem Zeitpunkt schon tot, doch das wussten Miller und ihr Kollege im Krieg, der Fotograf David E. Scherman, noch nicht.
Die amerikanische Schauspielerin Kate Winslet schreibt dazu im Vorwort zum Band "Lee Miller. Fotografien": "Das Bild, das am meisten zu Lee Millers Ruhm beigetragen hat, ist zuallererst das einer Frau, und zwar einer Frau, die aktiv an seiner Erschaffung mitgewirkt hat, auch wenn Scherman den Auslöser drückte. Es ist die sorgfältige Inszenierung zweier kampferprobter Profis, die die Fähigkeit eines Bildes kannten, mehr zu sagen als tausend Worte. Und es wurde mit Lees Kamera aufgenommen, nicht mit der von Scherman."
Beide Bände erzählen anhand von raffiniert ausgeleuchteten, skurrilen, lebensfrohen und auch grauenhaften Fotografien vom Mut einer unfassbaren Frau.