Lee Miller im Bucerius Kunst Forum: Zwischen Krieg und Glamour
Sie dokumentierte die Schrecken der befreiten Konzentrationslager, war Muse der Surrealisten, Fotomodell und große Fotografin: Zum ersten Mal wird das Lebenswerk der Künstlerin Lee Miller in seiner ganzen Breite in Hamburg zu sehen sein.
Über 30 Jahre lang war die Fotografin Lee Miller vergessen. Erst nach ihrem Tod 1977 entdeckte ihr Sohn einen Koffer mit ihrem Werk, dann begann ihre Renaissance. Heute zählt Lee Miller mit ihren surrealistischen Arbeiten und ihren Kriegsreportagen zu den großen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Das Bild von ihr in Hitlers Badewanne, Symbol der Inbesitznahme des vermeintlich Unzerstörbaren, ist ikonisch. Jetzt zeigt das Hamburger Bucerius Kunst Forum eine Retrospektive der Künstlerin: "Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour" versammelt über 140 Arbeiten.
Picasso, Aragon, Jean Cocteau, Man Ray: Miller mischte Künstlerzirkel auf
Lee Miller spaziert durch New York, wird von Vogue-Herausgeber Condé Nast angehalten - und macht Karriere als Fotomodell. 1927 war das, Lee Miller war gerade 20. Was folgt, ist fast schon Legende: Lee Miller wird Muse der Surrealisten, erfolgreiche Fotografin und im 2. Weltkrieg berühmte Kriegskorrespondentin. In knapp 20 Jahren lebte sie ein Leben für drei, was die Ausstellung anschaulich vorführt. Sie eröffnet mit frühen Selbstporträts, auf denen sich die schöne, junge Frau mit kurzen Haaren und in legerer Kleidung stark und selbstbewusst in Szene setzt.
Genauso erreichte sie 1929 Paris, wo sie Picasso, Aragon und Jean Cocteau kennenlernte, mit Man Ray zusammenlebte und arbeitete - und den selbstverliebten Künstlerzirkel gehörig aufmischte, betont Kathrin Baumstark, die Leiterin des Bucerius Kunst Forums: "Weil sie da eine der herausragendsten und unabhängigsten Künstlerinnen war, die sich eben nicht vereinnahmen hat lassen von diesem männerdominierten Haufen. Von diesen Alpha-Männern, die die Frau doch eher als Modell sahen."
"Der Gestank von Dachau": Die Kriegsjahre als Schwerpunkt der Ausstellung
Schnell entwickelte Lee Miller eine eigene, surreale Bildsprache, die der Wirklichkeit stets verhaftet blieb und mit der sie dem frauenverachtenden Blick der Surrealisten eine feministische Sicht entgegensetzte: Auf einem Foto schützt sie ihr nacktes Modell mit einem zwar transparenten, aber stahlharten Panzer, wie er beim Fechten benutzt wird. Ein anderes zeigt Man Ray - eingeseift. Die Manie der Surrealisten, den nackten Frauenkörper nach Gusto zu zerlegen, treibt sie auf die Spitze: Auf einem Teller serviert sie den Herren eine Frauenbrust. "Das ist für mich das früheste und krasseste feministische Statement, das es gibt: Hier habt ihr euer Objekt! Hier habt ihr eure Brüste!", sagt Baumstark.
Schwerpunkt der Ausstellung bilden die Kriegsjahre: In London erlebte Lee Miller die Bombardierung durch die Deutschen. Sie zeigt diesen Irrsinn in eben solchen Bildern: Da quillt zum Beispiel aus einem Kirchenportal meterhoch der Schutt. Ab 1942 begleitete sie die US-Armee als Kriegsfotografin. Sie dokumentierte die Anlandung in der Normandie, fotografierte Tote und Verletzte, die Befreiung von Paris. Dann erreicht sie mit der Armee deutschen Boden. Und: Konzentrationslager. "Sie war zuerst bei der Befreiung von Buchenwald und dann in Dachau", berichtet Baumstark. "Das hat sie geprägt für ihr ganzes Leben. Das sind auch Traumata, die sie da mitgenommen hat. Und sie hat diesen berühmten Satz gesagt: 'Ich bekomme den Gestank von Dachau nicht mehr aus der Nase.'"
Kampf gegen die Dämonen: Ein zweites Leben ohne Kamera
Bildfüllend, sodass niemand den Blick abwenden kann, zeigt sie Leichenberge verhungerter Menschen. Leichenberge, die aus Eisenbahnwagons quellen. Knochenberge. Überlebende. Ihre Bilder erscheinen in den USA und in England. 1946 verpackt Lee Miller ihre Kamera und ihre Fotos in einem Koffer auf dem Dachboden ihrer Farm in England. "Damit endet häufig auch die Geschichte der Lee Miller. Das stimmt aber nicht", sagt Baumstark.
So zeigt die Hamburger Ausstellung abschließend, mit welch unendlicher Kraftanstrengung sich Lee Miller zurück ins Leben kämpft: "Ein Befreiungsschlag von ihr war das Kochen", erzählt Kathrin Baumstark. "Ich glaube, es ist wichtig, das auch zu zeigen, was sie da macht. Denn es war ihr Kampf. Ihr Kampf gegen die Dämonen." Fotos, Briefe, Rezepte zeigen: Lee Miller ließ sich in Paris zur Köchin ausbilden und kochte für ihre Freunde erlesene Menüs. Mit sehr viel Knoblauch und mit sehr viel Chili - um den Todesgestank aus Deutschland zu übertrumpfen.
Lee Miller im Bucerius Kunst Forum: Zwischen Krieg und Glamour
Kriegskorrespondentin, Modell, große Fotografin: Das Bucerius Kunst Forum zeigt das Lebenswerk Lee Millers in seiner ganzen Breite.
- Art:
- Ausstellung
- Datum:
- Ende:
- Ort:
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Bucerius Kunst Forum
Alter Wall 12
20457 Hamburg - Preis:
- Erwachsene: 12 Euro; ermäßigt: 6 Euro; dienstags (außer feiertags): 6 Euro
- Öffnungszeiten:
- Täglich 11 - 19 Uhr
Donnerstags 11 - 21 Uhr - Kartenverkauf:
- https://shop.buceriuskunstforum.de/webshop/webticket/timeslot