"Apfeltage": Eine trauernde Frau findet neuen Lebensmut
Mit "Apfeltage" ist Melissa da Costa ein besonderes Buch über Trauer und Glück gelungen, das leicht und bisweilen sogar heiter daherkommt - und doch der Thematik gerecht wird.
Die französische Autorin Melissa da Costa ist durch einen Roman berühmt geworden, den einst kein Verlag drucken wollte. Also hat sie "Tout le Bleu du ciel" im Selbstverlag herausgebracht und allein durch Mundpropaganda 200.000 Exemplare verkauft. Zusammen mit der späteren Verlagsausgabe sind es inzwischen 600.000. Nun ist ihr zweiter Roman, "Apfeltage", auf Deutsch erschienen.
Rückzug aufs Land
Die Hauptfigur dieses Romans heißt Amande. Ihr Hochzeitskleid hängt schon auf dem Bügel im Schlafzimmer und sie erwartet ein Kind, als ihr Geliebter, der nur ganz kurz noch etwas erledigen wollte, bei einem Motorradunfall ums Leben kommt. Im Schock kommt sie ins Krankenhaus und verliert ihr ungeborenes Kind. Sie beschließt, nachdem alles erledigt ist, was zu einem Todesfall dazu gehört, ein Haus auf dem Land zu mieten.
Die schwere Tür mit der abblätternden Farbe gibt nach und schwingt nach innen auf, hin zu Dunkelheit und Kühle. Das Haus muss seit Monaten verschlossen gewesen sein. Ein schwacher ranziger Geruch hängt in der Luft, doch die Kühle macht den unangenehmen Eindruck wieder wett. Ich habe genügend Zeit, die Innentemperatur zu schätzen: 22 Grad, mehr nicht. Perfekt. Ich höre, wie sich der Mann neben mir bewegt, seine kunstlederne Aktentasche auf den Boden stellt. Schlüssel klirren, er steckt sie in die Hosentasche. "Ich suche den Lichtschalter", erklärt er. Folgsam stehe ich im dunklen Flur und warte. Ich habe nichts Besseres zu tun. Leseprobe
Amande möchte sich einfach nur verkriechen. Sie hat ein paar wirklich scheußliche Nahrungsmittel gehortet und möchte bei heruntergelassenen Rollos einfach nur in Ruhe gelassen werden.
Die Zeit verstreicht zwischen den dicken Mauern des alten Hauses. Mir fällt auf, wie still es ist. Es gibt keine direkten Nachbarn. Auch das ist gut. Leseprobe
Der Garten als Trostspender
Nach einigen Tagen im Haus findet sie in einer Küchenschublade das Gartentagebuch der Vormieterin. Offenbar war auch sie Witwe und suchte Trost im Alleinsein. Amande beginnt, sich mit dem Garten zu beschäftigen und das wird zu ihrem Glücks- und Sinnspender. Sie versucht, den Garten zu verstehen und durch das penibel geführte Gartentagebuch zu lernen, wie man ihn pflegt und hütet und wie viel Lebensfreude er verströmen kann. Sie erntet die ersten Kräuter, freut sich an Blüten, erlebt kleine Rückschläge.
Das ist mit einer besonderen Gabe für die kleinen Freuden des Alltags beschrieben von Melissa da Costa. Sie hat Liebe und Verständnis für diesen Garten. Allein die Beschreibung einer Staude, die "Felsenbirne" heißt, entwickelt sich zu einem Fest für die Sinne. Es kommen dann auch Gefährten zurück in Amandes Leben und sie lernt neue Menschen kennen, wie etwa die Tochter der verstorbenen Vormieterin, für die es Trost über den Tod der Mutter bedeutet, dass sich jemand um den Garten kümmert. Behutsam lernt Amande, dass auch die anderen trauern und man es gemeinsam besser hinbekommt als ganz allein.
Melissa da Costa ist ein besonderes Buch über Trauer und Glück gelungen, das ganz leicht, bisweilen heiter daherkommt und doch diesen Themen gerecht wird.
Apfeltage
- Seitenzahl:
- 352 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Französischen von Nathalie Lemmens
- Verlag:
- Penguin
- Bestellnummer:
- 978-3-328-60291-0
- Preis:
- 22 €