Cover des Buchs "Alma und der Gesang der Wolken" von Heinrich Thies © Aufbau Verlage

NDR Buch des Monats Dezember: "Alma und der Gesang der Wolken"

Stand: 06.12.2022 14:06 Uhr

"Alma und der Gesang der Wolken" ist das "NDR Buch des Monats". Das Setting des neuen Romans von Heinrich Thies ist halb Fiktion, halb aber auch eigene Familiengeschichte.

von Jürgen Deppe

Hademstorf, am Rande der Lüneburger Heide, ein Dorf wie viele andere zu jener Zeit.

Zu Beginn des Krieges im Jahre 1939 zählte Hademstorf exakt vierhundertdreizehn Einwohner. Während des Krieges verringerte sich anfangs die Einwohnerzahl aufgrund der Gefallenen, stieg dann aber mit dem Zustrom der Flüchtlinge wieder stark an. Buchzitat aus "Alma und der Gesang der Wolken"

Für Heinrich Thies, der von dort stammt und bis heute in Hademstorf lebt, ist es der ideale Schauplatz für "Alma und der Gesang der Wolken" - laut Nachwort ein autofiktionaler Ort.

Dieses Buch ist ein Roman, aber nicht frei erfunden. Es speist sich aus Erinnerungen und somit aus realen Ereignissen, die dahinter stehen. Buchzitat aus "Alma und der Gesang der Wolken"

 

Porträt des elterlichen Hofes und einer besonderen Frau

"Mein Bemühen ist es immer, der Vergangenheit möglichst viel Leben einzuhauchen", sagt Thies. "Also Alltagsszenen zu rekonstruieren, zu schildern, wie Menschen arbeiten, wie sie feiern, wie sie weinen, wie sie lachen und so weiter. Da man natürlich nicht so genau weiß, wie sich das vor 80 Jahren abgespielt hat, ist man schon gezwungen, seine Phantasie zu Hilfe zu nehmen."

Es geht um den elterlichen Hof von Heinrich Thies in den 40ern bis in die frühen 50er-Jahre: "Nachdem mein Vater Soldat geworden ist, hat meine Tante, die in Wirklichkeit Tante Meta hieß, unseren Hof in eigener Regie weitergeführt. Und zwar mit Hilfe von Kriegsgefangenen. Einem Franzosen, in den sie sich dann verliebt hat, und zwei Russen, von denen einer illegal auf den Hof geraten war, den sie also versteckt hat und bei sich aufgenommen hat, als hätte man ihn ihr zugewiesen von höherer Stelle. Wozu ja schon eine ganze Menge Mut gehörte", erzählt Thies.

Außergewöhnliche Frau in all ihrer Gewöhnlichkeit

Überhaupt muss diese Tante Meta, im Buch Alma genannt, in all ihrer Gewöhnlichkeit eine außergewöhnliche Frau gewesen sein. Wie sonst wäre zu erklären, dass eine junge Frau mit unehelicher Tochter (damals eher geächtet!) allein die Verantwortung für einen ganzen Hof übernahm? Dass sie Chefin wurde von mehreren Zwangsarbeitern, darunter ein Franzose, ein Mundharmonika spielenden Lehrer, von dem sie kurz vor Kriegsende schwanger wird? Dass sie den später ausgebombten Hof nach dem Krieg mit dem Erlös aus schwarz gebranntem Rübenschnaps wieder aufbaute? Bevor sie dann nach der Rückkehr ihres Bruders aus französischer Kriegsgefangenschaft wieder zurücktreten musste, wieder nur die kleine Schwester war, die nichts zu sagen hatte, und deshalb ihr Glück in Übersee suchte. Aber vergeblich.

Reise, die sich nachzuvollziehen lohnt

Heinrich Thies erzählt: "Meine Tante ist ja - bei allem, was außergewöhnlich an ihr ist - keine Ausnahmefigur. Es gibt ja viele Frauen, die während des Krieges über sich hinausgewachsen sind. Großartiges geleistet haben, und denen man es dann auch wenig gedankt hat und die dann ganz schnell wieder in den Hintergrund treten mussten und im Abseits gelandet sind. Auch darum habe ich dieses Buch geschrieben, um meiner Tante und den Frauen, die während der Kriegszeit diese Dinge gemacht haben, meinen Respekt zu bezeugen. Es ist gewissermaßen eine Verbeugung vor meiner Tante."

"Alma und der Gesang der Wolken" ist das Gemälde einer Zeit, ihrer Moral und Unmoral, ein Gemälde der Lüneburger Heide, die vom Menschen geprägt wurde und die Menschen prägt, die in ihr leben. Es ist eine Reise durch die Zeit und über Kontinente, die sich nachzuvollziehen lohnt.

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Alma und der Gesang der Wolken

von Heinrich Thies
Seitenzahl:
448 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Aufbau Taschenbuch
Bestellnummer:
978-3-7466-3953-6
Preis:
14 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 05.12.2022 | 06:40 Uhr

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