"Zwölf Wörter von Oskar Maier": Bedingungslose Wahrheitssuche
Der norwegische Autor Levi Henriksen gehört zu den Schriftstellern, die vor allem von Buchhändlerinnen geliebt und empfohlen werden. Sein neuer Roman "Zwölf Wörter von Oskar Maier" ist eine einfühlsame Beschäftigung mit der Lebensgeschichte seiner Mutter.
Wenn man einen Ratschlag an junge Mädchen weitergeben könnte, dann diesen: Nimm einen Mann als Gefährten, der seine Mutter geliebt hat. Das kann kein schlechter Kerl sein.
Levi Henriksen beschreibt in seinem neuen Roman, wie er seine heiß und innig geliebte Mutter auch lange nach ihrem Tod schmerzlich vermisst und wie viel er ihr verdankt.
"In Mama finde ich mich wieder, wenn es mir gelingt, meine Bequemlichkeit zu überwinden und mich lieber an den Pfahl binden zu lassen und zuzusehen, wie die Flammen den Scheiterhaufen um mich herum verzehren. Die Bibel ist voller Geschichten darüber, wie jemand versucht, die Gunst des Vaters zu gewinnen, doch sie müsste voller Berichte darüber sein, wie man sich zu seiner Mutter umsieht, um zu lernen, stark zu sein, ohne die Stärke zu missbrauchen. Berichten darüber, etwas Gutes zu tun, weil man etwas in sich hat, etwas, das stärker ist als Götzenbilder und Anbetung von allem, was wir nicht sehen können, während wir den Rücken in einer Gewissheit recken, dass das Beste im Leben das ist, was du für andere tust." Leseprobe
Zärtliche Liebesschwüre an einen fremden Mann
Die Hauptfigur in Levi Henriksens Roman ist in einer der streng gläubigen Pfingstgemeinden aufgewachsen, die in Norwegen eine große Rolle spielen. Er ist als Rockmusiker inzwischen etwas ergraut, demnächst wird er Großvater werden, aber vorher will er sich zurückziehen und auf einer Reise durch Schweden sein erklärtermaßen letztes Album schreiben. Doch etwas kommt dazwischen. Eine Frau aus Deutschland übergibt ihm ein Paket mit Briefen, die die Mutter des Erzählers dem Deutschen Oskar Maier geschrieben hat. Dessen Tochter möchte gern Blumen am Grab dieser Frau niederlegen, die, wie sie versichert, dafür gesorgt hat, dass ihr Vater den Krieg überlebte. Die Briefe sind große, zärtliche Liebesschwüre:
"Den ganzen Tag denke ich an Dich und nachts träume ich von Dir, mein Herzensbrecher." Leseprobe
Wahrheitssuche über die Liebesgeschichte der Mutter
Jeder Mensch, der schon einmal Briefe von nahestehenden Familienmitgliedern bekommen hat, die nicht mehr leben, wird das Herzklopfen kennen, das sie auslösen. Hier ist es noch viel irritierender. Der Sohn hat den Namen Oskar Maier, offenkundig ein Geliebter seiner Mutter, noch nie gehört. Wie kann es sein, dass sie kurz darauf seinen Vater Hermann geheiratet hat, um eine lange, glückliche Ehe mit ihm zu führen?
Bei den Versuchen seines Helden, die Liebesgeschichte der Mutter zu klären, reißt Levi Henriksen uns mit. Seine Wahrheitssuche ist bedingungslos und er schont keinen der Betroffenen. Aber getragen ist das von seiner starken Herzensbildung und Liebe zur Mutter. Gabriele Haefs trifft in ihrer Übersetzung diesen mitunter etwas schnodderig hemdsärmeligen und gerade dadurch hoch emotionalen Ton ganz wunderbar.
Zwölf Wörter von Oskar Maier
- Seitenzahl:
- 280 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Kröner
- Bestellnummer:
- 978-3-520-62801-5
- Preis:
- 25,00 €