Wohin mit alten Büchern? Immer mehr Jüngere kaufen in Antiquariaten
Heutzutage wird alles im Netz ge- und verkauft. Innenstädte veröden. Viele Buchläden und -antiquariate mussten schließen. Aber es gibt sie noch, die engagierten, überzeugten Antiquare. Und ihr Publikum ist durchaus jünger, als mancher wohl erwartet.
Auf dem Weg zur U-Bahnlinie 1 kommen viele Kunden automatisch am Bücherpavillon von Brigitte und Dietrich Schaper am Dammtordamm in Hamburg vorbei - wie die Studentin, erstes Semester Kunst auf Lehramt: "Ich schaue einfach, was interessant aussieht und dann stöbere ich." Oder der junge Germanist - offenbar ein Stammkunde mit festem Beuteschema: "Bücher aus dem Winkler Verlag, die sehr gut erhalten sind, oder Literatur in anderen Sprachen. Russische Literatur zum Beispiel. Aber Herr Schaper hat auch ein bis zwei Regale mit musikantiquarischer Literatur und da schlage ich auch manchmal zu."
Viele junge Leserinnen und Leser im Bücherpavillon am Dammtor
Dietrich Schaper ist seit 40 Jahren im Geschäft und bestätigt die spontane Beobachtung: "Ich muss das immer verteidigen, wenn Leute sagen, junge Leute lesen nicht mehr. Das betrifft uns überhaupt nicht. Wir haben ganz viele junge Leute."
Das liegt auch an den Kästen draußen vor den Schaufenstern - direkt neben einem Café übrigens - mit Angeboten: Drei Hardcover-Bände Literatur für zehn Euro. Drinnen in wohlsortieren Regalen: ausgesuchte Kunstbände, Architektur, Philosophie. Hinter Glas: kostbare Erstausgaben. Alles hat seinen Platz, auch im Netz: Schaper ist ganz weit vor, vertraut sich nicht dem Marktführer ZVAB an - dem "Zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher": "Wir haben eine eigene Homepage und bieten da an", erzählt er. "Die Erfassung passiert immer online. In dem Moment, wo es abgespeichert ist, erscheint es auf der Homepage und ist weltweit sichtbar."
On demand-Lagerung im Antiquariat
Und wo kommen seine Bücher her? Aus privaten Nachlässen. Manchmal sind das ganze Bibliotheken, weil sich die Leute verkleinern oder Erben keinen Platz haben. Auch Antiquariate müssen haushalten mit ihrem Platz. "Wir machen es wie die Autohersteller: on demand. Das heißt: Was wir morgen verkaufen, steht heute noch in den Wohnungen", sagt Schaper. "Die Idee dahinter ist, dass es nicht zu einem Stau kommt. Lagerhaltung ist völlig ineffektiv. Das Telefon klingelt jeden Tag mehrmals oder Leute kommen rein und sagen, ich habe da was. Ich sage: Nein, lass mich in Ruhe, ich kann nichts annehmen."
Tagesaktuelle Dekorationen und Verkäufe übers Internet
Ganz anders arbeitet der Kollege von der Fleetinsel. Joachim Lührs hat im historischen Gängeviertel einen Laden zusätzlich angemietet - nur als Lager. Damit bestückt er sein "Kunstantiquariat Lührs" und die riesigen Schaufenster immer wieder neu. Er dekoriert aktuelle Themen passend zu Ausstellungen oder Sportereignissen in der Stadt. An seinem Geschäft müssen immer wieder Touristen vorbei auf dem Weg zur Elbphilharmonie, zum Rathaus oder den edlen Geschäften in der City. Auch er ist mit eigener Homepage im Internet unterwegs und nutzt internationale Plattformen: "Booklooker, AbeBooks und die holländische Plattform Antiqbook. In Holland oder auch in Amerika sind die entsprechenden Plattformen eher benutzt als das ZVAB."
Joachim Lührs hat sich auf Kunst, Architektur und Film spezialisiert, aber auch auf alte Landkarten, Zeichnungen und Plakate. Und er hat - wie sein Kollege vom Dammtor-Pavillon - dieselbe, überraschende Beobachtung gemacht: "dass sehr viele junge Leute in den Laden kommen, was ich als positiv empfinde. Auch junge Frauen waren bisher nicht so stark vertreten. Das hat sich total geändert - auch wenn diese Klientel nicht gleich zu einem Sammler oder einer Sammlerin wird. Aber das Alter der Besucher hat sich doch deutlich gesenkt."