Tonio Schachinger: "Wollte über 'Age of Empires' schreiben"
Am Montag ist Tonio Schachinger mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. Mit NDR Kultur spricht er über die Preisverleihung, die Arbeit mit seiner Frau und seinen Roman "Echtzeitalter".
Als Tonio Schachinger am Montagabend für seinen Roman "Echtzeitalter" im Frankfurter Römer mit dem Deutschen Buchpreis 2023 ausgezeichnet wurde, war er einigermaßen sprachlos. Wer wollte es ihm verdenken? Tags darauf ist das entschieden anders. Im Gespräch mit NDR Kultur spricht der Österreicher über die Entstehungsgeschichte des Romans, die Arbeit mit seiner Frau und über die Faszination des Computerspielens. Denn darum geht es in "Echtzeitalter": Till, ein unangepasster Schüler eines Wiener Eliteinternats, flüchtet sich in die Fantasiewelt des Gamings und wird dort zum Star. Sehr zum Missfallen seines Umfelds. Einen Auszug des Gesprächs lesen Sie hier - die ganze Folge finden Sie in der ARD Audiothek.
Herr Schachinger, wann ist Ihnen Till das erste Mal begegnet?
Tonio Schachinger: Für mich war der Ausgangspunkt dieses Spiel. Ich wollte über "Age of Empires" schreiben. Ich weiß nicht, ob Inspiration das richtige Wort ist. Aber es ist so, dass es tatsächlich einen österreichischen "Age-of-Empires"-Spieler gibt, der schon mit 15 zu den allerbesten gehörte. Der hat sonst nicht viel mit Till zu tun, er kommt auch nicht aus Wien. Aber ich habe dessen Karriere seit Jahren verfolgt und habe die Turniere geschaut, die er gespielt hat. Irgendwann habe ich mir gedacht: Man kann nicht aus dieser Makroperspektive über dieses Spiel schreiben, sondern ein Spieler ist der Schlüssel. Wenn der jung ist, dann muss der auch in die Schule gehen. So bin ich dann in das Schulthema reingerutscht. Aber Till hat sonst gar nichts mit diesem realen Vorbild zu tun, sondern eher mit meiner Schulzeit. Ich habe meine Erfahrungen wieder aufleben lassen und kritisch betrachtet. Ich habe sehr viele Gespräche mit ehemaligen Mitschülern geführt und mit anderen Menschen, die vorher in dieser Schule waren. Daraus hat sich dann mit der Zeit das zentrale Thema des Buches herauskristallisiert.
In Ihrem Roman kommen zahlreiche historische Ereignisse der vergangenen Jahre vor. Wir haben zwischendurch mit der Ibiza-Affäre zu tun. Die Corona-Pandemie kommt vor: Till macht sein Abitur unter ganz anderen Bedingungen zu Ende. Wie hat sich das beim Schreiben angenähert?
Schachinger: Ich glaube, dass das mit der Struktur zu tun hat, die ich immer schon vor dem Schreiben festlege. Bei meinem ersten Roman war mir von Anfang an klar: Er wird ein Jahr umfassen. Bei diesem Roman stand von Anfang an fest: Er wird acht Jahre umfassen - nämlich die Schulzeit. Ich habe relativ am Anfang fixiert, wann Till geboren ist: 2002. Dann konnte man schauen, welche historischen Ereignisse es gab, und wie alt er da war. Das sind häufig auf den ersten Blick weniger wichtige Ereignisse, die trotzdem Auswirkungen auf das Leben haben. Zum Beispiel das Rauchverbot: Till gehört zu einer Generation, die mit 16 rauchen durfte und mit 17 nicht mehr, weil das Alter in Österreich auf 18 angehoben wurde. Die Corona-Pandemie kommt dann relativ am Ende vor. Es geht nicht darum, eine verallgemeinerte Erfahrung zu beschreiben, wie das damals in der Pandemie war. Sondern es geht darum, ein bisschen ironisch aufzuzeigen, wie für einen bestimmten Menschen diese Pandemie wie ein Segen daherkommt. Wenn man in der Schule fertig gemacht wird und plötzlich muss man nicht mehr in die Schule.
Ihre Frau Margit Mössmer ist ebenfalls Schriftstellerin. Sie haben in ihrer Dankesrede gesagt, sie sei die Frau, von der sie "alles gelernt haben". Was haben Sie damit genau gemeint?
Schachinger: Meine Frau und ich sind seit elf Jahren zusammen - und die Zeit zwischen 20 und 30 sind schon sehr prägende Jahre. Das hat sich auf das Leben bezogen, auf die Liebe, auf die Kunst - eigentlich auf alles. Ich habe von meiner Frau gelernt, wie man Kunst betrachtet und was Kunst bedeutet. Das war tatsächlich so umfänglich gemeint, wie ich es gesagt habe.
Wie sieht denn Ihr Arbeitsprozess aus? Ist es so, dass Sie sich das kapitelweise auch mal vorlesen? Und besprechen Sie dramaturgische Probleme - oder arbeiten Sie voneinander getrennt?
Schachinger: Vorlesen nicht, aber den anderen lesen lassen, das schon. In gewissen Abständen geben wir uns gegenseitig die Texte, die wir bis dahin geschrieben haben, lesen die und kritisieren sie natürlich. Es wäre ja sinnlos, wenn man da nicht hart miteinander ins Gericht geht. Aber wenn man dieses Vertrauen zueinander hat, dann ist es auch leichter, sich das anzuhören. Die Kritik wäre von jemand anderem sicherlich schwerer.
Das Gespräch führte Joachim Dicks.