Thea Mengeler erhält Preis der Hotlist 2024 für "Nach den Fähren"
Der mit 5.000 Euro dotierte Preis der Hotlist geht 2024 an den Wallstein Verlag für den Roman "Nach den Fähren" von Thea Mengeler. Er handelt von einer Insel, zu der die Fähren mit den Touristen eines Tages nicht mehr kommen. Im Gespräch erzählt die Hannoversche Autorin, warum das Fortbleiben der Fähren Freiheit und Verlust zugleich ist.
"Nach den Fähren von Thea Mengeler ist ein Text von beeindruckender literarischer Qualität und Reife, der die Kunst des Verschwindens und den Umgang mit Verlusten souverän vor Augen führt. Ebenso evident ist die herausragende Arbeit des Wallstein Verlags, der nicht nur wichtige Publikationen im Bereich der Geschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft herausgibt, sondern auch ein ausgezeichnetes Gespür für literarische Titel beweist.", so die Jury der Hotlist in ihrer Begründung. Jan Ehlert hat mit Thea Mengeler zur Nominierung für die Hotlist 2024 (und damit vor der Preisvergabe) gesprochen.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung. Auf der Hotlist zu stehen, ist schon eine besondere Ehre. Wie hat sich dein Leben als Autorin dadurch verändert?
Thea Mengeler: Ich weiß gar nicht, ob sich aktuell schon so viel dadurch verändert hat. Für mich war es allerdings schon eine wichtige Auszeichnung und Wertschätzung, weil es tatsächlich die erste Longlist- und Shortlist-Nominierung mit einem Buch für mich ist. Deswegen ist es ein wichtiger Moment gewesen.
Es ist dein zweiter Roman. Der erste, "Connect", damals noch bei Leykam erschienen, hat auch schon sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Das Buch "Nach den Fähren" scheint sich zu so einer Art Publikumsliebling zu entwickeln. Was für Reaktionen bekommst du auf diesen Roman?
Mengeler: Ich bin wahnsinnig überrascht, dass es so ein Publikumsliebling ist, weil es schon ein spezieller Roman ist. Aber die Rückmeldungen sind sehr schön, sehr positiv. Viele Leute können mit dieser sehr langsamen Erzählweise anscheinend sehr viel anfangen. Ich bekomme interessanterweise ganz unterschiedliche Rückmeldungen, was den Schwerpunkt der Lesart angeht.
Es gibt viele, für die es sehr stark um das Thema Tourismus geht, weil es darum vordergründig geht: Es ist eine touristische Insel, die von den Touristen verlassen wurde. Damit können viele Leute, die in touristischen Orten leben, sehr viel anfangen. Ich wurde zum Beispiel nach Usedom eingeladen - das ist natürlich ein toller Ort, um aus diesem Roman zu lesen. Aber es gibt auch viele Leute, die sagen, dass das Thema für sie gar nicht wichtig ist, sondern es geht für sie vielmehr um allgemeine Lebensfragen: Wie wollen wir eigentlich leben? Was ist uns wichtig? Das ist eine sehr schöne Erfahrung, gerade bei Lesungen Rückmeldungen von Menschen zu bekommen, die das Buch schon gelesen haben.
Insel, Fähren - das klingt unglaublich norddeutsch. Aber jetzt müssen wir leider die traurige Wahrheit aussprechen: Das Vorbild für diese Insel lag woanders, nämlich im Bosporus.
Mengeler: Ja. Zumindest hat es da für mich angefangen. Ich habe viel Zeit in Istanbul verbracht. Erst im Studium und später war ich auch privat oft da. Vor Istanbul liegen die Prinzeninseln, auf die man mit Fähren fahren kann. Das dauert so etwa anderthalb Stunden. Das ist ein merkwürdiges Gefühl, aus dieser völlig überfüllten Stadt rauszukommen, auf diese Inseln, wo es keinen Autoverkehr gibt, wo damals zumindest sehr viele Kutschen unterwegs waren - das ist anscheinend inzwischen verboten.
Da ist eine eigentümliche Atmosphäre, gerade im Winter, wenn auch die Tagestouristen nicht mehr dorthin kommen. Das ist dann plötzlich ein merkwürdig verlassener Ort mit seltsamer Architektur, mit Pferden, die einfach über die Insel laufen. Das mochte ich atmosphärisch sehr gerne, und da ist diese Idee entstanden: Was ist eigentlich, wenn so ein Ort, der hauptsächlich touristisch genutzt wird, plötzlich in dieser Nebensaison im Grunde verharrt?
Das Gespräch führte Jan Ehlert. Das komplette Interview hören Sie oben auf dieser Seite - und in der ARD Audiothek.