Aufnahme aus Island im Bildband "Inseln des Nordens" von Stefan Forster © Stefan Forster

Stefan Forster fotografiert die "Inseln des Nordens"

Stand: 30.11.2020 16:40 Uhr

Island und die Färöer, Grönland und Norwegen - alles Sehnsuchtsorte für Naturfreunde. Raue Landschaften, einsame Natur, für den Mitteleuropäer die Idealvorstellung von Wildheit und Zivilisationsferne.

von Guido Pauling

Der Schweizer Naturfotograf Stefan Forster hat diese Landschaften bereist und eine Auswahl seiner Bilder in einem Band zusammengefasst. "Inseln des Nordens" heißt das Buch aus dem teNeues Verlag. Es lässt den Betrachter ins Staunen geraten, allerdings am meisten über Forsters Bild-Ästhetik.

Superlative für die Augen

Was macht einen guten Natur-Bildband aus? Ist es die Stimmung, in die die Bilder den Betrachter versetzen? Ist es der Eindruck, allein beim Durchblättern der Seiten eine Landschaft erfühlen zu können - Düfte in der Luft, Wärme oder Kälte auf der Haut, die Einsamkeit in der Natur zu spüren - alles, indem man eine Fotografie betrachtet? Oder sollte ein Bildband dann als gelungen gelten, wenn jede einzelne Aufnahme die Qualität eines Filmplakats hat?

Bei Stefan Forster bekommt man den Eindruck, dass allein dies für ihn zählt. Der Schweizer sammelt in seinem Band "Inseln des Nordens" Superlative für die Augen - mit dem unschönen Nebeneffekt, dass ein Betrachter den Buchdeckel ermattet und ungläubig zuklappt.

Lange Belichtungszeiten produzieren einen Weichzeichner-Effekt

Der Fotograf erklärt: "Ich reise nicht nur einmal an einen Strand, ich reise dutzende Male an einen Strand. Im Nachhinein entstehen dann wirklich Bilder, die auf den ersten Blick nicht glaubhaft erscheinen."

So wie der Sonnenuntergang vor Jökulsárlón, der Gletscherflusslagune auf Island, von der aus kleinere Eisberge ins Meer gleiten und von den Wogen des Nordatlantiks an den Strand zurückgeworfen werden. Ein orange-rot glühender Himmel, darunter die eisigen Wellen, mit längerer Belichtungszeit aufgenommen, so dass ein Weichzeichner-Effekt eintritt.

Die Wassermassen wirken nun wie ein wuscheliges Lammfell, kuschelweich - das Foto verbirgt ihre kalte Wucht. Der kantige, bizarr geformte Eisbrocken am Strand glänzt in Stefan Forsters Aufnahme wie ein Schmuck-Glasstein fürs Wohnzimmerregal. Hellblau-schimmernd, von rosa-goldenen einzelnen Lichtpunkten durchzogen. Spektakulär? Gewiss. Aber auch total kitschig in seinem blau-rosa-gold-weich-Farbspiel.

Grandiose Ausblicke und atemberaubende Ansichten

"Ich hab selbst den Anspruch, dass ich die Natur so zeigen möchte, wie sie vor dem Menschen war und nach dem Menschen sein wird", sagt Forster im ARD-Interview. Ein hehrer Gedanke: Zeige die Schönheit der Welt, bevor wir Menschen sie vernichtet haben! Nur dürfte er dann keine pittoresken Holzhäuschen in Buchten zeigen, denn dieser Anblick ist menschengemacht.

Überhaupt: Warum schleppt der Fotograf sein Publikum andauernd nach oben, um von Berggipfeln und Klippen herab göttergleich auf Meer und Buchten, Ufer und Küstenlinien zu schauen? Grandios sind diese Ausblicke, beeindruckend, atemberaubend - alles dies, ohne Zweifel. Bloß bleiben sie immer gleich. Oft sind es Drohnenbilder: der surrende Flugapparat steigt auf, knipst, sinkt herab.

Schön, dass Forster dadurch seltenen Moosen, Kräutern und anderen unberührten Flächen seinen Fußabdruck erspart. Unbedingt lobenswert sogar, dass er genaue Ortsangaben verschweigt, um Nachahmer fernzuhalten. Und doch wirken diese Luftaufnahmen über norwegischen Fjorden, isländischen Gletschern und färöischen Klippen wie ein Dessert mit viel zu viel Zucker - zunächst verführerisch süß, alsbald eintönig in ihrer Großartigkeit und Wiederholung.

Reizvolle Details fehlen in diesen perfekten Aufnahmen

Forster scheint zu vergessen, dass auch ein neblig-grauer Strand seinen Reiz hat, an dem die Sonne einmal nicht untergeht. Es fehlen bei ihm Details: Ein einzelner stumpfer Kiesel darin - nein, bitte kein glitzernder! Eine zerbrochene Muschel, eine fransige, sandige Vogelfeder. Und dass gerade das Abweisende und Schroffe die Faszination nordischer Landschaften ausmacht, nicht die quietschbunten Sonnenschein-auf-Eisberg-mitsamt-Spiegelung-Panoramen.

Forster spricht vom "richtigen Licht" in der Landschaftsfotografie und gibt zu, dass er darauf lange warten muss. Nach dieser Logik wäre die Natur die meiste Zeit vom falschen Licht umspielt und nicht wert, fotografiert zu werden.

So leidet das Fotobuch voller "bildschöner" Aufnahmen daran, dass es nur ein Gestaltungsprinzip kennt: Farbbombast und Überwältigung des Betrachters. Das ist Disney-Ästhetik statt diskreter Annäherung. Anders gesagt: Die Liebe zur Natur möchte man Stefan Forster nicht absprechen. Den guten Geschmack schon.

Inseln des Nordens

von Stefan Forster
Seitenzahl:
264 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
25 x 32 cm, 180 Farbfotografien, Hardcover, Text: Deutsch und Englisch
Verlag:
teNeues
Bestellnummer:
978-3-96171-254-0
Preis:
39,90 €

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Kulturjournal | 30.11.2020 | 19:00 Uhr

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