Rostocker Autorin begeistert mit Debütroman "22 Bahnen"
Der Debütroman der Rostockerin Caroline Wahl sorgt schon vor seinem Erscheinen für viel Aufmerksamkeit in den Feuilletons. Die Autorin hat das Buch am 18. April im Literaturhaus Rostock vorgestellt.
Die gebürtige Heidelbergerin Caroline Wahl lebt seit einem Jahr in Rostock und arbeitet dort für eine Kommunikationsagentur. Sie hat sich in die Rauheit der Stadt verliebt. Geschrieben hat sie "22 Bahnen" während eines Arbeitsaufenthalt in Zürich - und war schwer genervt von der Dekadenz der Stadt. "Es war alles so wahnsinnig schön, so schick, reich, so teuer", sagt Caroline Wahl. "Das Schreiben war irgendwie mein Schutzraum und der Text ist ziemlich im Flow runtergeschrieben." Sie setzte sich abends nach dem Job an den Schreibtisch und rauschte in drei Monaten durch den Text.
Der Supermarkt: Ein Ort für alle Gesellschaftsschichten
Ihr Roman beginnt an einer Supermarktkasse. Tilda, Mathematikstudentin, sitzt an der Kasse und spielt ein Spiel mit sich selbst. Sie darf die Kunden nicht anschauen, sondern muss sie anhand ihres Einkaufs charakterisieren. Diese Szene war eine der ersten, die Caroline Wahl im Kopf hatte, als sie zu schreiben begann. "Ich weiß nicht, ob man das zugeben sollte: Aber ich gucke schon, was die Menschen vor mir auf das Band legen. Das sagt sehr viel über das Leben aus", sagt Caroline Wahl. "Im Supermarkt kommen die unterschiedlichsten Leute zusammen. Das ist schon ein cooler Ort." Dann fragte sie ihre Schwester, die in einem Supermarkt jobbte. "Sie meinte, wenn sie an der Kasse sitzt, denkt sie immer an die Abende, was sie so alles Dummes und Falsches gesagt hat. Und schämt sich einfach die ganze Zeit."
"22 Bahnen": Keine autobiografischen Züge
Das Schwimmbad, in dem Tilda und ihre kleine Schwester Ida im Roman schwimmen gehen, zusammen aber nur bei schlechtem Wetter, ist noch so ein cooler, öffentlicher Ort. Einer, an dem man alles ablegt Ein Ort, an dem die alkoholkranke Mutter der Protagonistin keine Rolle spielt. Caroline Wahl hat ihren Debütroman ihrer Mutter gewidmet. Aber die Rostockerin freut sich diebisch, als sie danach gefragt wird, wie autobiografisch ihr Text denn nun sei und ihr Kopfschütteln könnte nicht entschlossener sein. "Es gibt so viele Romane über Endzwanziger, die sich um sich selbst drehen und sich in den Widersprüchen ihrer Zeit verstricken: Instagram hassen, es trotzdem benutzen. Ich wollte davon weg und eine zeitlose Figur und Geschichte schaffen", sagt die Autorin.
Knallhart und zerbrechlich
Eigentlich hat sich Caroline Wahl vorgenommen, nicht auf die Bewertungen bei Amazon zu schauen. Nun ist sie doch zu ungeduldig. Sie freut sich wahnsinnig, wenn ihr Roman mit Wolfgang Herrndorfs "Tschick" verglichen wird. Auch wenn sie selbst andere Vorbilder nennt. "Ich habe wahnsinnig gerne Alina Bronskys 'Scherbenpark' gelesen und Angelika Klüssendorfs 'Das Mädchen' oder Juli Zehs 'Spieltrieb', weil das immer um Mädchen ging, die knallhart und trocken wirken. Aber unter dieser harten Oberfläche war immer so etwas ganz Zerbrechliches", schildert sie. "Es war irgendwie so ein Wunsch da, auch mal so eine Figur zu erschaffen."
Caroline Wahl: Eine glückliche Autorin
Dass ein Debütroman einer jungen Autorin, bevor er offiziell erscheint, so häufig empfohlen wird, ist schon ziemlich außergewöhnlich. Germanistik, Medienwissenschaft und neue Literatur hat Caroline Wahl studiert und in vielen Verlagen gearbeitet. Sie weiß, welche Literaturkritikerin wichtig ist, welche Zeitung Einfluss auf den Buchverkauf hat. Aber sie versucht, das auszublenden. Auch jetzt, wo sie in Rostock am zweiten Roman schreibt. "Es gibt wenige Sachen, die mich so erfüllen. Ob ich jetzt eine erfolgreiche oder unerfolgreiche Autorin werde, weiß ich nicht. Aber ich werde eine Autorin bleiben und bin darüber sehr glücklich."