Schnee von gestern: Bildband zeigt "Pioniere der Skifotografie"
Der Bildband "Pioniere der Skifotografie" zeigt, wie Skitouren in den 1920er- und 1930er-Jahren aussahen, als es noch keinen Massenansturm gab und vorwiegend Einheimische die Hänge hinabwedelten.
In manchen Regionen Deutschlands hat es ordentlich geschneit und manch einen Hobby-Wintersportler daran erinnert, wie schön es doch wäre, ein paar Tage Skiurlaub zu machen. Nur leider ist unbeschwerter Skitourismus zur Zeit kaum möglich. Viele Skigebiete sind - wenn sie überhaupt Schnee haben - einsam und verwaist - und liegen da wie zu den Anfängen des Skisports.
Ein Bach, ein Mann, ein Sprung. Ebenso rasant wie elegant fliegt ein Skifahrer über einen Gebirgsfluss. Hinter den langen Holzlatten eine Staubwolke aus feinstem Pulverschnee. Vor ihnen der Schatten von Ski, Stöcken und der Silhouette des Sportlers. Der wirkt auf dem schwarz-weißen Foto wie ein Scherenschnitt. Dynamisch erscheint nur das Wasser unter ihm, das die helle Mittagssonne reflektiert. Das Foto - nur eines von vielen, die Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein zwischen Mitte der 1920er- und Mitte der 1930er-Jahre in Adelboden im Berner Oberland aufgenommen haben.
Rasante Skifahrer, feinster Pulverschnee
Den Herausgeber Daniel Müller-Jentsch beeindruckt die Virtuosität der Bilder vor allem wegen der Umstände, unter denen sie damals entstanden: "Die Skitechnik war noch in ihren Anfängen. Man hatte letztlich zwei Bretter mit Bindung unter den Stiefeln, auch die Kameratechnik war vergleichsweise primitiv. Gyger und Klopfenstein arbeiteten mit Glasnegativen, außerdem war das Skifahren noch eine Natursportart, man musste jede Abfahrt hart erarbeiten, um dann eine Abfahrt zu machen auf unpräparierter Piste."
Ambitionierte Fotografen mit technischer Experimentierfreude
Die Ski-Enthusiasten verdienten ihr Geld eigentlich mit Landschaftsfotografien, die sie an Touristen verkauften. Ihr Herz aber hing daran, den alpinen Sport perfekt abzulichten. Künstlerische Ambition und technische Experimentierfreude ermöglichten den Schweizern neue Perspektiven. Schnell setzten sie Maßstäbe und gelten bis heute als "Pioniere der Skifotografie" - dank einer Art qualitativen Quartetts, so Daniel Müller-Jentsch: "Die erste Eigenschaft ist die hohe Dynamik der Aufnahmen, das zweite das virtuose Spiel mit Licht und Schatten, das dritte zum Teil extreme Gegenlichteffekte, mit denen sie arbeiteten, und das vierte die akribische Bildkomposition."
Phänomenal, wie die Fotografen auf ihren Bildern die Skifahrer regelrecht choreografieren und dabei noch die winterliche Bergkulisse inszenieren. Da rastet eine Gruppe von Skifahrern in ihren Wollpullovern und Lodenhosen auf einem Gipfel. Die Männer liegen auf ihren in den Schnee gesteckten Skiern und sonnen sich, während unter ihnen das Tal im Nebel versinkt und im Hintergrund ein noch größeres Bergmassiv emporragt. Ein andermal springen drei Wintersportler gekonnt über glitzernde Hügel, vollführen Akrobatik in der Luft, um anschließend exakte Linien in den Tiefschnee zu zeichnen.
Skisport noch ohne Glamour und Massentourismus
Wettkampfsituationen wechseln sich mit kontemplativen Szenen wie Schneeschuhwanderungen ab. Atemberaubende Abfahrten an Steilhängen stehen romantischen Panoramen gegenüber. Jedes Foto unterstreicht, wie sehr der Mensch damals mit der Natur verbunden war. Denn die Bilder entstanden zu einer Zeit, als Skifahren noch eine Nischensportart war.
"Als man den Rausch der Geschwindigkeit, die Unberührtheit der Landschaft und auch die Kameradschaft unter den Skifahrern in den oft primitiven Skihütten zelebrierte. Es war eine Zeit, in der das Skifahren noch eine Seele hatte. Die Zeit des Aufbruchs sieht man auf diesen Bildern und das ist der Grund, weshalb sie einen noch heute, hundert Jahre nachdem sie entstanden sind, in den Bann schlagen," schwärmt Herausgeber Daniel Müller-Jentsch.
Doch der Band zeigt auch die Tendenz zum Massentourismus, wenn die ersten Skibusse sich ihren Weg durch die Bergwelt bahnen und gleich mehrere dieser Blechkästen vor den Hütten parken. Die rummelige Gegenwart - hier deutet sie sich bereits dezent an. Doch damals war sie noch fern. Der außerordentlich gelungene Bildband lässt mit seinen spektakulären Fotos jeden Fan des weißen Zaubers in der Vergangenheit schwelgen.
Emanuel Gyger, Arnold Klopfenstein: Pioniere der Skifotografie
- Seitenzahl:
- 140 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Herausgegeben von Daniel Müller-Jentsch, Hardcover, 22,2 x 29,2 cm, Fadenheftung
- Verlag:
- Regenbrecht
- Bestellnummer:
- 978-3-948741-04-4
- Preis:
- 29,90 €