Bildband von Peter Lindbergh: Mehr als Modefotografie
Es sollte seine erste große Ausstellung werden, die er selbst kuratiert. Doch der Star-Fotograf Peter Lindbergh verstarb im September 2019 vor der Eröffnung der Schau. Nun sind seine Bilder trotzdem zu sehen, erst bis zum 1. Juni im Düsseldorfer Kunstpalast und ab 20. Juni im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. "Untold Stories" heißt sie, wie auch der Bildband zur Ausstellung.
Stark, fast dominant blicken drei Models in die Kamera und ballen ihre Fäuste. Hinter ihnen riesige Räder einer dampfenden Maschine. Die schwarzen Anzüge und glänzenden Stiefel der Schönheiten wirken wie Uniformen. Eine Szene, die an Fritz Langs Film "Metropolis" erinnert, aber doch ein Set des berühmtesten deutschen Modefotografen ist.
Fotograf Lindberghs Lieblingsaufnahmen
Peter Lindbergh war die Ikone der schwarz-weißen Modefotografie. Mit seinen Aufnahmen von Frauen in weißen Herrenhemden am Strand von Süd-Kalifornien, hob er diese in den Olymp der Supermodels. Doch der Band präsentiert überwiegend andere Fotografien, von denen viele noch nie gezeigt wurden.
"Das sind die Bilder, die ihm am wichtigsten waren. Das war für ihn ein langer Prozess. Wir haben auch ein Gespräch geführt, in dem er das als Kampf um Leben und Tod beschreibt und er auch beschreibt, welch intensive Herausforderung das für ihn war, dieses Zusammenstellen", erklärt der Mitherausgeber und Direktor des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, Felix Krämer, im Interview mit dem WDR.
Viele Bilder wirken wie Schnappschüsse. Bilder, die Peter Lindbergh quasi neben der eigentlichen Arbeit in Pausen am Set fotografiert haben könnte - als feiner Beobachter seiner Umwelt.
Schnappschüsse und Blicke hinter die Fassaden
Ein schwarzer Mann in eleganter Garderobe schreitet förmlich über einen Bürgersteig. Er trägt einen Hut fast so hoch wie ein Zylinder. Ein weißer, glitzernder Schal reicht bis zum Ende seines langen Mantels, an den Füßen - dunkle Slipper.
Wie der Gentleman so an einem Gitter-Mülleimer vorbeiflaniert und den maximalen Gegensatz zwischen einer rauen New Yorker Straße und sich selbst inszeniert, fängt der Fotograf wie ein Voyeur ein, indem er zwischen stark unscharfen Säulen durchfotografiert. Bilder, die man so von ihm nur selten gesehen hat.
Ob weite Landschaften oder Stillleben - wenn Peter Lindbergh eine Sonnenblume fotografiert, fehlen seinem grauen Bild nicht die Farben, um an Van Gogh zu denken. So magisch wirkt sein Blick auf die Welt. Ob Porträts von Lieblingsmodells oder von Schauspiellegenden, wie dem Nouvelle-Vague-Star Jeanne Moreau, die stark gealtert und mit leicht zerzausten Haaren immer noch stilvoll wirkt
Peter Lindberghs Fotos gelingt es, hinter Fassaden zu blicken. "Er sagte mal den schönen Satz, er würde sich über jede Falte freuen, weil jede Falte ein Zeichen für gelebtes Leben wäre", so Herausgeber Felix Krämer.
Ungewöhnliche Buchgestaltung
Das Buch selbst ist anders als das, was man vom Taschen Verlag gewohnt ist. Auf Wunsch von Peter Lindbergh besteht es aus einem dünnen, ungestrichenen Papier, erinnert haptisch an Zeitungen. Edel wie die sonst üblichen Hochglanz-Seiten wirkt das nicht, ist aber Geschmackssache.
Schade, dass fast alle Bildlegenden am Ende des Bandes stehen. So blättert der wirklich interessierte Betrachter häufig hin und her. Auch hätten neben Vorwort und Interview ein paar Hintergrundtexte vielleicht noch etwas besser erklärt, von welchen Büchern, Filmen und Kunstwerken sich Peter Lindbergh inspirieren ließ, um mit seinen Modefotos Geschichten zu erzählten. Denn dies, zeigt der Band, ist ihm meisterlich gelungen.
Peter Lindbergh: Untold Stories
- Seitenzahl:
- 320 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Hardcover, 27 x 36 cm, 1,91 kg - Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
- Verlag:
- Taschen Verlag
- Bestellnummer:
- 978-3-8365-7991-9
- Preis:
- 60,00 €