Paul Maar sitzt am Schreibtisch © picture alliance/dpa | Foto: Daniel Vogl

Paul Maar über sein neues "Mini-Sams"

Stand: 04.10.2024 14:22 Uhr

Der Kinderbuchautor Paul Maar hat mit "Das Mini-Sams ist verschwunden" ein neues Buch veröffentlicht. Ein Gespräch über Wünsche, das Schreiben und das Eintauchen in die Sams-Welt.

Paul Maar, Erfinder des Sams und Autor vieler bezaubernder Kinderbücher, hat sein neuestes Werk "Das Mini-Sams ist verschwunden" vorgestellt und im Interview unter anderem verraten, warum die Sams-Geschichten auch heute noch Kinder und Erwachsene begeistern.  

In Ihrem neuen Buch geht es um das Mini-Sams. Was unterscheidet das Mini-Sams vom Sams? 
 
Paul Maar: Das Mini Sams habe ich erfunden, weil ich mal nicht so ein freches Sams haben wollte, sondern gewissermaßen ein Baby-Sams. Ein kleines. Das hat dann immer den Daumen im Mund und nimmt ihn nur heraus, um zu sagen: Ich hätte da mal eine Frage. Und dann kommt eine unmögliche Frage, die man beantworten muss. Die Sams-Welt, die ich erfunden habe, ist von so vielen verschiedenen Samsen bevölkert und da war mir das Mini-Sams recht, dass ich das gefunden und erfunden haben.

In dem Buch gibt es ja diese mysteriöse Mauer. Wer weiß, was dahinter ist? Als ich das das erste Mal gelesen habe, dachte ich: Wie schade es doch ist, dass oft Erwachsene nicht mehr so neugierig sind. Sie würden vielleicht einfach an der Mauer vorbeigehen und das wäre ihnen egal. Spielen Sie da gerade auch mit dieser kindlichen Neugier?  
 
Maar: Nicht unbedingt. An der Mauer kann man ja nicht vorbeigehen, die versperrt ja das ganze Land von links nach rechts. Man kann also entweder drüberfliegen, wenn man ein Drache ist. Das kommt in der Geschichte auch vor: Nachdem sie alle nicht schaffen, über die Mauer zu kommen, holen sie eine Figur, die ich erfunden habe in dem Buch "Das Sams und der blaue Drache". Das ist der Drache Ralfer. Er wird dann in die Sams-Welt geholt und schafft es dann, gewissermaßen die Transportmaschine zu spielen, sodass einer nach dem anderen auf dem Drachen hinüberreitet und jenseits der Mauer landet und dann dort die Gegend erkundet. Was dort ist, wusste ich auch nicht, bevor ich anfing zu schreiben. Aber mit der Zeit wurde es mir klar.  

Fangen Sie einfach an zu schreiben und schauen, wohin es führt? Oder machen Sie sich ein Skript? 

Nein, ich mache mir kein Skript. Ich schreibe sowieso immer erst ins Unreine, kürze und dann kommt die endgültige Fassung.  

Sie schreiben auch Bücher für Erwachsene. Wie unterscheidet sich die Arbeit daran? 

Maar: Es sind zwei verschiedene Denkweisen. Für Kinder versuche ich natürlich, eine einfache Sprache zu sprechen und in den Büchern zu schreiben. Ich habe mir angewöhnt, nicht besonders lange Nebensätze zu machen, weil ich weiß, wie Kinder lesen. Besonders wenn sie noch ein bisschen kleiner sind, manchmal sogar noch mit dem Finger an der Zeile. Für Erwachsene kann ich natürlich so Thomas-Mann-Sätze mit Nebensatz über eine halbe Seite schreiben. Also, für Erwachsene schreibe ich anders.

Ich habe übrigens jetzt ein neues Buch geschrieben für Erwachsene. Es wird "Lorna" heißen, das ist ein irischer Mädchenname, der Name einer der Hauptfiguren. Es fängt in der Kindheit der beiden Hauptfiguren an. Und diese Lorna befreundet sich mit dem Ich-Erzähler. Dann hat sie allerdings einen anderen Freund. Die ganze Lebensgeschichte dieser Lorna wird bis zu dem Zeitpunkt erzählt, wo sie eine bipolare Störung entwickelt. Sie ist also manisch depressiv und landet dann in der Psychiatrie, wo der Ich-Erzähler sie besucht. 

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Sie setzen in ihren Kinderbüchern immer noch auf sehr klassische Story-Elemente. Wenn ich so gucke, was es sonst so für neue Kinderbücher gibt, ist alles immer wahnsinnig actiongeladen. Es muss explodieren und es gibt irgendwelche Superhelden. Das machen Sie nicht. Warum? 

Maar: Nein. Na ja, ich denke, es liegt vielleicht an meinem Alter, wenn man mal über 80 ist und jetzt so langsam 87 wird, dann wird man ruhiger und besinnt sich auf das, was man vorher geschrieben hat und denkt: Ich muss mir jetzt nicht mehr einen neuen Stil erarbeiten und was Neues erfinden. Ich schreibe so weiter. Nachdem die Bücher ja bis jetzt durchaus Erfolg haben. Ich sehe es ja, wenn wieder mal eine neue Auflage kommt. Also es wird noch verkauft, dann kann ich so weiter schreiben. 

Wird das Sams gar nicht alt und die Geschichten auch nicht?  

Maar: Ja, erstaunlicherweise nicht. Das wundert mich manchmal selbst. Aber die Sams-Geschichten scheinen irgendwie zu funktionieren. Nicht nur im Deutschen. Es ist ja in 40 Sprachen übersetzt worden. Und wenn ich dann irgendwo in Russland bin oder jetzt in China oder in Thailand und die Übersetzerin liest meine Texte vor und ich schaue dann ins Buch, damit ich ungefähr weiß, wie weit sie ist und habe da eine Flipchart stehen und mal dann die Figuren, dann stelle ich fest, dass die Kinder an denselben Stellen lachen wie die deutschen Kinder. Also, Humor scheint international zu sein.  

Die Kinder mögen gerne Reime und sie sagen meistens dazu Sprüche. Und nach einer Lesung sagen sie oft: "Herr Maar, ich weiß einen tollen Spruch vom Sams." Dann erzählen sie mir irgendwas, was ich geschrieben habe. Ich sage: "Schön, dass du das auswendig kannst." Sie lieben Reime. Sie mögen Humor und das Sams macht Dinge oder wagt Dinge, die sie vielleicht selber gerne mal machen würden. Auch frech zu sein bei Erwachsenen oder Autoritätspersonen gegenüber. Und ja, sie freuen sich innerlich mit, dass das Sams das schafft.  

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Wie wichtig finden Sie Lesungen ihrer Bücher?  

Sehr wichtig, weil ich natürlich durch eigene Erfahrung feststelle , dass Kinder immer weniger lesen. Vor kurzem war ich eingeladen an eine Schule in der Nähe von Hannover. Da saßen dann 200 Kinder in der Turnhalle auf Matten. Ich sollte vorlesen. Ich stieg erst mal ein, indem ich sagte: "Wer von euch hat denn Bücher überhaupt zu Hause?" Ein Mädchen hat sich gemeldet von den 200 Kindern. Und wer kennt das Sams? Wieder das gleiche Mädchen sagt: "Ich habe es im Fernsehen gesehen." Und alle anderen 199 hatten weder ein Buch, noch kannten sie das.  

Wie wichtig finden Sie denn Lesen und Bücher als Kulturgut? 

Gerade für Kinder sehr wichtig. Wenn ich am Fernsehen eine Geschichte sehe, dann ist sie quasi vorgefertigt. Wenn also im Drehbuch steht, dass die Geschichte im Wald steht, dann versucht der NDR möglichst einen Wald in der Nähe zu finden, um da zu drehen, damit es nicht so teuer wird. Wenn ich aber lese von einem Wald, dann stellt sich jedes Kind diesen Wald anders vor. Ganz mutige Kinder stellen sich vor, das ist so ein richtiger Märchenwald mit dicken Bäumen, wo von den Blättern noch das Moos herunterhängt und wo man sich durch Dornen drängen muss. Andere stellen sich vielleicht einen ganz leichten Laubwald vor, wo noch so ein bisschen das Licht durchschimmert.

Also beim Lesen muss man die Bilder selbst entwickeln, im eigenen Kopf. Beim Fernsehen oder beim Filmschauen werden sie vorgesetzt. Und dann kann man keinen anderen Wald sehen als den, den sich der Regisseur ausgedacht hat. Insofern hat das Buch größere Kraft, die Fantasie in Gang zu setzen. 

Stört es Sie manchmal, auf das Sams reduziert zu sein? Sie machen ja noch ganz viele andere Kinderbücher und auch Bücher für Erwachsene. 

Also natürlich mag ich das nicht gerne, wenn ich nur der Sams-Autor bin und wenn ich irgendwo hinkomme und es heißt "der Sams-Autor". Dann erlaube ich mir zu sagen: Ja, der bin ich, aber ich habe auch noch 40 andere Bücher geschrieben. Und eines meiner Lieblingsbücher zum Beispiel ist "Lippels Traum". Und dann mach ich ein bisschen Reklame für die anderen Bücher.

Andererseits kann ich mich natürlich nicht beklagen, weil mir durch die große Auflage der Bücher beschert worden ist, dass ich mir eigentlich jetzt keine finanziellen Sorgen mehr machen muss, um meine Miete oder wie auch immer, um das tägliche Leben, weil die Sams Bücher sich so gut in aller Welt verkaufen, dass ich davon gut leben kann. 

Das Gespräch führte Aaron Moser für Matsch&Muse.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonntag | 06.10.2024 | 15:40 Uhr

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