Paul Maar: Besuch beim Papa des Sams
2022 ist Paul Maar 85 Jahre alt geworden. "Lippels Traum" ist zwar sein international erfolgreichstes Buch, doch hier kennt man den Kinderbuchautoren vor allem als Schöpfer des rotzfrechen Sams. Ein Besuch in seinem Bamberger Zuhause.
"Maar" steht auf der Klingel an dem weißen Haus mitten in der Bamberger Innenstadt. Paul Maar versteckt sich nicht. Er öffnet auch gleich selbst, ein schmal gewordener älterer Herr, die grauen Wuschellocken haben sich ein wenig gelichtet. Aber der Schalk blitzt immer noch in den Augen - und Gedichte schüttelt er, wie das Sams, einfach so aus dem Ärmel.
Besuch beim Sams-Autor: Zur Begrüßung ein Gedicht
"Ich habe eine ganze Reihe von Spitzmausversen", erzählt Maar. "Ich weiß nicht, wie das gekommen ist, jedenfalls gefällt mir das Wort Spitzmaus. Das hier habe ich heute morgen geschrieben: 'Die Spitzmaus holt den Revolver raus / Ich zähle von jetzt von eins bis zehn / dann will ich Euer Geld sehn / Dabei ist es geblieben / denn leider kennt die Spitzmaus die Zahlen nur bis sieben'."
Das Sams grüßt auch, schon an der Haustür, mit Mundschutz. Oben im Arbeitszimmer mit dem großen Schreibtisch gibt es noch viel mehr Samse, aus Bügelperlen, Filz und Stoff, natürlich mit blauen Wunschpunkten.
"Das Sams und die große Weihnachtssuche": Wo sind die Punkte?
In dem Band "Das Sams und die große Weihnachtssuche" hat das Sams gar keine Wunschpunkte mehr. Alle weggewünscht, erzählt der Autor und zuckt die Achseln. Die hat dafür das Minisams. "Das ist so ein babyhaftes Sams, das immer mit Daumen im Mund dasteht und jede Rede eröffnet mit: 'Ich hätte da mal eine Frage'. Das habe ich dann liebgewonnen, obwohl ich es selber erfunden habe, und dachte, das muss die neue Hauptperson werden.”
Paul Maar wird 85: "Man freut sich, wenn man überhaupt überlebt"
Das Geschichtenerfinden geht nicht mehr so schnell wie früher, stellt Paul Maar fest. Er übt sich in Geduld. Manches sei anders geworden. Früher war er ein großer Tagträumer, wie Lippel in "Lippels Traum", tauchte ab in fremde Welten. "Jetzt kommt er wieder aus dem Mustopf", sagte seine Mutter dann. Und heute? "Ich stelle leider fest, dass im Alter die Träume austrocknen, sage ich mal so. Man freut sich, wenn man überhaupt überlebt, wenn man einigermaßen bei Gesundheit ist und das Gefühl hat: Na, vielleicht kriege ich noch ein oder zwei Jahre geschenkt."
Autobiographie "Wie alles begann": Paul Maar blick zurück
Maar ist nicht mehr so viel unterwegs wie früher, hat 2020 seine Autobiographie "Wie alles kam" veröffentlicht. Das Buch zeigt, dass vieles von dem, was er in dem Roman "Kartoffelkäferzeiten" beschreibt, auf eigene Erfahrungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit zurückgeht - zum Beispiel die Auseinandersetzungen mit dem spät aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Vater.
Erinnerungen an Auseinandersetzungen mit dem Vater
"Er war ein fleißiger Handwerker", erzählt Maar. "Und als er mich einmal mit einem Buch gesehen hat, sagte er: Schau mal, ich habe jetzt diese Wand weiß gestrichen. Ich habe dazu ungefähr eine halbe Stunde gebraucht, vorher war sie wirklich schmutzig. Schau mal, wie sie jetzt strahlt. Ich kann also hinterher sagen, das habe ich geschafft. Du sitzt eine halbe Stunde hier im Sessel und liest. Und was hast du geschafft? Nichts. Du hast nur deine Zeit vertrödelt."
Seinen Weg hat Paul Maar trotzdem gefunden und sich dabei eine kindliche Seele bewahrt. Eigentlich sei er immer noch zwölf, hat seine Tochter Anne einmal gesagt. Ende 2024 soll sein neues Buch über ein "Mini-Sams" erscheinen.