Hype um Merkels Memoiren - Lohnt er sich für den Buchhandel?
Es ist ein großer Marketing-Coup, wenn bis zum zentralen Verkaufsstart ein Geheimnis um einen vermeintlichen Spitzentitel gemacht wird - wie jetzt bei den Memoiren von Angela Merkel.
Der Stapel ist gewaltig - verteilt auf sechs Paletten in glänzend schwarzer Plastikfolie. Christian Heymann zeigt auf das Foto, das er im Zentrallager seiner Buchhandlungen gemacht hat: "Wie Sie sehen, sind die auch teilweise blickdicht eingeschweißt. Sie sind von uns noch komplett original verschlossen gelassen." Er und sein Team hätten das Buch bis zum Erstverkaufstag noch nicht mal in die Hand nehmen dürfen. "Damit wir sicherstellen, dass keine Informationen aus diesem Buch vorher an die Presse oder an die Öffentlichkeit gelangen. Das haben wir unterschrieben und dazu haben wir uns verpflichtet", erzählt Heymann.
Unterschiedliche Erfahrungen mit dem Hype um dicke Bücher
2.500 Bücher für die 14 Heymann-Filialen in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Das muss bis Weihnachten reichen: "Also ich meine, Sie bekommen für 42 Euro 736 Seiten, und es wiegt ein Kilo. Überlegen Sie mal, wie lange Sie darin lesen. Da haben Sie mehrere Tage Spaß", sagt der Buchhändler.
Ob es wirklich ein Spaß wird, weiß Heymann noch nicht, aber Erfahrung mit dem Hype um dicke Bücher hat er, etwa bei Harry Potter oder auch bei Barack Obamas erstem Buch, da gab es jeweils Erstverkaufstage. "Es passiert auch, wenn die neue Charlotte Link erscheint, damit alle Buchhandlungen in Deutschland die gleiche Verkaufschance haben." Da sei der Tag verpflichtend festgelegt und an den sollten sich auch alle halten, auch wenn Heymann so seine Zweifel an dem Prozedere hat: "Jetzt seien wir mal ehrlich: Wenn es einen Tag früher im Laden liegt, kräht kein Hahn danach, aber bei Frau Merkel würde es wahrscheinlich sehr viel Ärger geben, wenn wir es jetzt schon in den Verkauf geben."
Nicht jede Biografie funktioniert gleich gut
In der Buchhandlung Schaumburg in Stade hält Heide Koller-Duwe 50 Exemplare erst einmal für ausreichend. Seit 30 Jahren führt die Buchhändlerin zusammen mit ihrem Mann Sebastian Duwe die Traditionsbuchhandlung. Unter ihren Kunden sind viele - wie sie sagt - "Biografien-Leser-per-se", also Menschen, die auch gerne politische Memoiren lesen: "Eine Gruppe beschäftigt sich eher mit Lebensläufen und mit der Frage wie Menschen das meistern, was durch das Leben an sie herangetragen wird", sagt Heide Koller-Duwe, dazu gehören eher Alice Schwarzer oder Wolf Biermann, bei Politikern sind es Michelle Obama und Wolfgang Schäuble. "Wenn es Schnellschüsse sind, haben wir sie kaum am Lager. Sie werden auch selten gefragt, weil unsere Erfahrung gezeigt hat, dass unsere Kunden sich die Informationen in diesem Bereich über andere Medien holen."
Der Inhalt gibt den Ausschlag für den Erfolg
Qualität statt Schnellschuss - das verkauft sich auch bei Heymann in Hamburg besser, und vor allem: länger: "Bei Obama war es ein Riesenhype um den Erstverkaufstag und der hat sich wirklich über sehr viele Monate gut verkauft - seine Frau auch noch viel besser als er." Die beiden hätten aber auch wirklich etwas erzählt, was interessant zu lesen war, Dinge, die man in der Öffentlichkeit noch nicht kannte. "Dann sind solche Bücher interessant. Wenn man nur das erfährt, was man eh schon weiß oder jemand sich in besonderem Licht darstellt oder sich nur auf die Schulter haut, wie toll er ist, dann verebbt sowas relativ schnell."