"Oh Boy"-Debatte: Literaturhaus Rostock sagt Veranstaltung ab
Auf Boykottaufrufe gegen Valentin Moritz' Erzählung im Debattenbuch "Oh Boy", in der er sein sexuell übergriffiges Verhalten gegen den Willen der Betroffenen schildert, reagiert nun auch das Literaturhaus Rostock.
Die beiden Herausgeber Valentin Moritz und Donat Blum beobachten in "Oh Boy" eine "Männlichkeit in der Krise". Für ihre Anthologie riefen sie 16 namhafte Autoren auf, über Männlichkeit zu schreiben. Darunter finden sich ganz unterschiedliche Debattenbeiträge - zum Beispiel von Kim de l'Horizon, Daniel Schreiber, Peter Wawerzinek oder dem diesjährigen Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse, Dinçer Güçyeter. Das Feuilleton hat das Buch bisher durchaus positiv aufgenommen: Es sei ein "wichtige[r] Sammelband, der radikal anders ist" (SWR Kultur) und lasse "toxische Männlichkeit weit hinter sich" (radioeins).
Auch Herausgeber Valentin Moritz hat darin einen Essay geschrieben, in dem er sein sexuell übergriffiges Verhalten thematisiert. Offen und ungeschönt reflektiert er darin seine Rolle. Nun wird aber in den Sozialen Medien, mit ihrem Einverständnis, das Statement einer Betroffenen geteilt. Darin heißt es unter anderem: "Ich bin die Frau, die durch Valentin Moritz im Mai 2022 sexualisierte Gewalt erlebt hat. Ich bin die Frau, die seit Wochen eine nicht enden wollende emotionale Achterbahnfahrt durchlebt." Sie habe bereits im vergangenen Jahr ein ganz klares Nein (auch schriftlich) zur Veröffentlichung des Textes von Valentin Moritz ausgesprochen. Ein Text, für den ihn viele nun feiern. Der Kanon Verlag, in dem das Buch erschienen ist, hat mitgeteilt: Man nehme die Kritik sehr ernst.
Auch das Literaturhaus Rostock hat nun eine für den 18. September geplante Veranstaltung mit Valentin Moritz abgesagt. Ulrika Rinke ist verantwortlich für das Programm beim Literaturhaus Rostock. Wie war die Diskussion bei Ihnen? Was hat Sie dazu bewogen, diese Veranstaltung so schnell abzusagen?
Ulrika Rinke: Ich möchte einmal die zeitliche Reihenfolge umdrehen, denn das Statement kam, nachdem wir abgesagt hatten. Wir wurden aus unserem Umfeld, von Followern unserer Mitveranstalter - einer Kulturwoche, deren Bestandteil diese Veranstaltung sein sollte -, auf einen Kommentar der Betroffenen auf der Instagram-Seite des Kanon Verlags aufmerksam gemacht. Der lag schon drei Wochen zurück. Sie rief zum Boykott auf und hat genau diesen Umstand benannt, den sie näher ausführt. Ich habe dann mit dem Verlag und mit Valentin Moritz gesprochen und gesagt, dass, wenn sich das so verhält, wir die Veranstaltung absagen müssen, weil wir dem Bedürfnis der Betroffenen folgen wollen. Auch wenn wir nicht das gesamte Buch in Misskredit bringen wollen. Es gab also die Gelegenheit, das zu dementieren.
Wir konnten dann nicht Valentin Moritz und Donat Blum zusammen zu dieser Veranstaltung einladen. Wir haben das im Team besprochen, auch mit den Mitveranstaltern, und das in einem sehr kurzen, ganz sachlichen Absage-Post öffentlich gemacht, da die Veranstaltung bereits öffentlich war und wir darauf aufmerksam gemacht worden waren, dass ohne Einverständnis ein Text erschienen ist.
Gab es schon Rückmeldungen auf die Absage?
Rinke: Ja, wir haben intern und nicht öffentlich im Nachhinein mit dem Verlag gesprochen und kommuniziert, weil es öffentlich sehr viele Rückmeldungen gab: auch von einer Autorin des Kanon Verlags, bei der ich mich für ihren Beitrag bedankt habe, die dort weiter diskutiert hat - und ganz viele Menschen, die man persönlich oder vom Schreiben her aus dem Feuilleton kennt, die sich eingebracht haben. Aber auch User, die man nicht kennt. Ich fand die Debatte, die daraus entstanden ist, sehr hilfreich. Wir haben da inhaltlich an der Debatte nicht mehr Anteil, als dass wir durch die Absage den Anstoß gegeben haben. Ich fand das Gespräch dort aber sehr gut weiterführend.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.