"Nachtzug nach Lissabon"-Autor Peter Bieri alias Pascal Mercier ist tot
Der Schweizer Schriftsteller Peter Bieri, bekannt unter seinem Pseudonym Pascal Mercier, ist im Alter von 79 Jahren in Berlin gestorben. Das teilte der Hanser Verlag am Dienstag mit. Mit seinem Roman "Nachtzug nach Lissabon" wurde der Schweizer international berühmt.
"Peter Bieri hat in eigenem Namen und unter seinem nom de plume ein Leben lang gezeigt, wie sich Gedanken und Geschichten gegenseitig beflügeln", teilte Jo Lendle, Verleger des Autors mit. Der Philosoph hatte jahrelang eine Professur an der Freien Universität in Berlin. Für sein literarisches Schaffen erfand Peter Bieri das Pseudonym Pascal Mercier. "Der Philosoph hat vom Erzähler gelernt - und umgekehrt bringen seine Romane die großen Menschheitsfragen zum Leben", so Lendle.
"Nachtzug nach Lissabon" machte Bieri zum Bestseller-Autor
Merciers bekanntester Roman "Nachtzug nach Lissabon" wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt und 2013 mit Jeremy Irons in der Hauptrolle verfilmt. Der Roman erzählt von einer Reise zu sich selbst. Der einsame Schweizer Professor Raimund Gregorius wird durch eine schicksalhafte Begegnung und ein kleines Buch voll inspirierender Gedanken nach Portugal getrieben.
Von der Erkenntnis in seinem Leben das Abenteuer verpasst zu haben, sucht der 57-Jährige in Lissabon nach dem Autor des Buches. In ausführlichen Rückblicken erfährt Gregorius immer mehr aus dessen Leben, das ihn zu einem kompromisslosen Arzt, zum Widerstandskämpfer gegen die Salazar-Diktatur, zum leidenschaftlichen Liebenden und Philosophen macht. Und immer deutlicher wird für ihn das Gefühl, seine eigenen Chancen im Leben verpasst zu haben.
Die Frage nach der Endlichkeit
Das Buch durchziehe die Frage, was für ein Verhältnis man zur eigenen Endlichkeit und zum Tod habe, sagte Bieri einmal. "Das Verhältnis, das wir zu unserer eigenen Lebenszeit haben, ist geleitet von der Frage: Mache ich mit der Zeit, die ich zur Verfügung habe, das, was für mich wirklich wichtig ist. Oder wird mir die Zeit gewissermaßen gestohlen", erläutert Bieri die philosophischen Gedanken hinter dem Roman. "Dem schließt sich die Frage an: Was heißt denn wichtig? Da kann die Antwort eigentlich nur sein: Dasjenige, was mir dazu verhilft, der zu werden, von dem ich mir wünsche, dass ich es werde."
Philosophische Fragen nahbar machen
In seinen akademischen Arbeiten beschäftigte sich Peter Bieri mit der Philosophie des Geistes, der Erkenntnis und der Sprache. Als Pascal Mercier verstand er es, diese Themen mit leichter Erzählstimme in hochgradig reflektierte Romane zu verpacken. "Das Wichtige ist, dass wer philosophische Überlegungen hört oder liest, sie nicht einfach als abstrakte Überlegungen wahrnimmt, sondern er muss immer wissen, wovon die Rede ist in seinem eigenen Erleben", sagte Peter Bieri einmal.
"Als ich angefangen habe, das Manuskript zu 'Das Handwerk der Freiheit' zu lesen, war ich völlig gebannt, wie komplizierte philosophische Probleme und Fragen in ganz großer Klarheit erzählerisch dargelegt, gelöst und diskutiert wurden. Das hat mich vollkommen in den Bann geschlagen", erinnert sich Bieris Lektor Tobias Heyl. "Es gibt ein großes Bedürfnis nach philosophischer Reflexion bei sehr vielen Leuten. Er hat dieses erzählende Philosophieren zu einer Perfektion entwickelt und dadurch nicht nur in Deutschland, sondern weltweit viele Menschen angesprochen."
Peter Bieri: Sorgfältiger Arbeiter mit großem Talent für Fremdsprachen
"Was ich ganz großartig bei ihm fand, war diese Gründlichkeit und Langsamkeit - aber auf sehr positive Weise", erzählt Tobias Heyl. "Er hat sich beim Denken und beim Formulieren nicht hetzen lassen. Deswegen ist das alles zu so einer Perfektion getrieben worden. Das habe ich bewundert, weil der Regelfall eigentlich ein anderer ist: Es wird viel zu schnell geredet und geschrieben. Da war er das völlige Gegenmodell."
Zudem besaß Peter Bieri ein großes Talent für Fremdsprachen: "Er hat wahnsinnig viele Sprachen gekonnt, er hat sich wahnsinnig leicht getan, Sprachen zu lernen", so Heyl. "Er hat mal gesagt: "Man muss den Wortschatz können und die Grammatik - und damit ist eigentlich alles getan." So war das auch bei ihm. Er hat sich nicht vorstellen können, dass es Leute gibt, die sich da ein bisschen schwerer tun, Sprachen zu lernen."
Auf dem Weg zur Selbstfindung
Häufig handeln seine Geschichten von sich ergründenden Menschen. Auch in seinem letztem Roman "Das Gewicht der Worte" schlägt der Protagonist, ein Übersetzer, einen anderen Lebensweg ein, als ein schicksalhaftes Erlebnis in ihm den Wunsch nach einer Neuausrichtung weckt: Statt die Worte anderer zu übersetzen, will er nun eigene finden.
Auch Peter Bieri hat erst spät seine eigenen Worte gefunden: Mit 51 Jahren begann er mit dem literarischen Schreiben. Am 27. Juni ist der Schriftsteller nun mit 79 Jahren in Berlin gestorben.