"Männer, die Rosen schneiden": Fotoband über den Verleger Michael Krüger
Die Fotografin Isolde Ohlbaum hat viele Begegnungen des Verlegers Michael Krüger mit berühmten Autor*innen in Bildern festgehalten. Ihr gemeinsames Buch kombiniert diese Fotografien mit literarischen Kurzporträts.
Der langjährige Verleger Michael Krüger hat mit seinem Gespür für herausragende Literatur den Hanser Verlag zu einem der wichtigsten Verlagshäuser Deutschlands gemacht. Und: Er ist darüber auch selbst zu einer legendären Figur geworden; hat Freundschaft mit berühmten Autorinnen und Autoren geschlossen. Sehr häufig war dann die Fotografin Isolde Ohlbaum dabei, die diese Begegnungen festgehalten hat. Ein frisch erschienener Fotoband ehrt nun beide.
Literatur als Risiko
Ein älterer Herr steht auf einer an Backstein lehnenden Leiter und schneidet einen Rosenstock. Der Herr, seine Cordhose, die Holzleiter - das alles sieht ein wenig wacklig aus. Doch da ist ja noch jemand Zweites am Boden; ein deutlich jüngerer Mann, der zum Glück jederzeit die Leiter festhalten könnte.
Das Foto mit dem Rosen schneidenden Gregor von Rezzori und dem eine weiße Blüte haltenden Michael Krüger prangt nicht nur auf dem Cover des Bildbands, sondern hat ihm auch den Titel gegeben: "Männer, die Rosen schneiden" bringt in einem Schnappschuss das Verhältnis vom Autor zum Lektor und Verleger auf den Punkt. Literatur als Risiko, man kann abstürzen! Und erntet man zwischen Dornen ein paar Blüten, geht ein Verleger dem Autor helfend zur Hand.
Isolde Ohlbaums wunderbar natürliche Aufnahmen
Isolde Ohlbaums Autoren-Porträts sind berühmt, auf diese Berufsgruppe - oder sagen wir: Künstlergruppe - hat sie sich früh spezialisiert. "Schriftstellergesichterforscherin" hat Michael Krüger sie einmal genannt. Auf vielen ihrer Fotografien findet sich der immer gleiche Verleger, der bei Lesungen ebenso anwesend war wie bei Preisverleihungen oder auf Buchmessen. Die Zahl an interessanten Begegnungen Krügers mit Literaten ist immens - und doch, hat er NDR Kultur vor zehn Jahren gesagt, wolle er auf gar keinen Fall einen Erinnerungsband schreiben: "Für mich sind Begegnungen oft nur ganz kurz gewesen. Ich will nicht so tun, als hätte ich den ganzen Tag mit berühmten Menschen verbracht. Ich habe in der Regel hier gesessen und habe meine Arbeit gemacht."
Isolde Ohlbaums Bildband ist daher die perfekte Lösung, ein höchst ertragreiches Verlegerleben in wunderbar natürlichen Aufnahmen zu würdigen. Krüger in inniger Umarmung mit Jürgen Habermas. Krüger im Gespräch mit Andrej Bitow vor leeren Wein- und Biergläsern. Krüger in einem kahlen Raum mit António Lobo Antunes - der Autor nachdenkend an einem kleinen quadratischen Tischchen, sein Gesprächspartner in der Hocke, Rücken zur Wand, eine Kaffeekanne in den Händen. Noch so ein Symbolbild: der Verleger als Kellner zu Füßen des Großschriftstellers.
Erhellende Texte von Michael Krüger
Bei aller rhetorisch aufgefahrenen Bescheidenheit Krügers sind aus vielen Zusammenkünften doch auch Freundschaften geworden. "Das gilt natürlich für sehr viele, dass ich jetzt als alter Mann plötzlich merke: Mit dem hättest du doch etwas länger Umgang haben müssen, der hat dir doch gut getan. Warum hat man sich so wenig gesehen?", so Krüger. "Ich weiß nicht, ob das alle so empfinden, aber bei mir ist es so: Man hat so einen großen Kopf wie eine Galerie, und das soll alles präsent sein! Und dazu gehören natürlich auch etwa hundert Freunde und Freundinnen, mit denen ich mein Leben verbracht habe - aber wie ich finde, zu wenig verbracht habe."
Die Galerie liegt nun - wie könnte es bei Krüger anders sein - als Buch auf dem Tisch. Und zu Ohlbaums stets fantastischen Aufnahmen hat Krüger ein paar Zeilen beigesteuert, Miniaturen, Kurzporträts, die sich mitunter urkomisch lesen, erhellend, pointiert. Zum Beispiel über John Ashbery:
Wenn man mit diesem freundlichen Dichter in New York essen war, bestellte er gern eine große Portion, aß aber immer nur die Hälfte, die andere Hälfte musste für den Hund eingepackt werden. Einmal hat er mir erklärt, er schreibe kubistisch; daran habe ich lange herumgekaut. Leseprobe
Oder über Arnold Stadler:
Man sieht ihn selten, weil er immer unterwegs ist, aber wenn man ihm irgendwo zwischen zwei Feldsteinen begegnet, kann man sicher sein, dass die Welt danach ein wenig an Farbe gewonnen hat. Leseprobe
Krüger hier, Krüger da
Wundervoll. Vergnüglich. Ein wenig eitel dann doch. Krüger hier, Krüger da, Krüger dort. Aber wen hat er nicht alles gesprochen, gekannt, gelesen. Ein Querschnitt durch die literarische Welt - von einer Frau, die ungesehen im Hintergrund bleibt und doch alles sieht.
Männer, die Rosen schneiden
- Seitenzahl:
- 220 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Schirmer/Mosel
- Bestellnummer:
- 978-3-82960-984-5
- Preis:
- 39,80 €