Lyriker Reiner Kunze mit persönlicher Sendung für NDR Kultur
Sein Leben spiegelt die deutsch-deutsche Teilung und ist ein Beispiel für das harte Schicksal, das die DDR-Obrigkeit einem oppositionellen Intellektuellen zu bereiten in der Lage war.
Reiner Kunze ist als Schriftsteller und Dichter ein Mensch des Wortes, die Stasi führte seine Akte unter dem Decknamen "Poet". Aber mindestens so wesentlich ist für ihn die Musik: "Sie bietet Geborgenheit, Schutz, sie ist eine der Möglichkeiten der Menschheit zu existieren, auch im Sinne einer Gegenwelt", sagt Kunze, der 2009 für NDR Kultur eine sehr persönliche Sendung aufgenommen hat. Der Titel: "Musik als immerwährendes Asyl." Kunze, bis zu seiner Ausreise 1977 stets einer der unbequemen Autoren in der DDR, schildert anhand seiner Lieblingswerke und vieler historischer Betrachtungen, welchen Freiheitsraum die Musik uns eröffnen kann. Und er zitiert aus eigenen Gedichten: "Komm mit dem Cello, die Suite zu erschaffen und mit der Suite, was in uns verloren ging vom Menschen."
Kunzes Musikalität seiner Gedichte beeindruckten
Die Musikalität seiner Gedichte, aber auch Kunzes politische Widerständigkeit beeindruckten schon in den 1970er-Jahren den Weimarer Musikstudenten H. Johannes Wallmann. 1972, da war er 20, komponierte Wallmann "Drei Lieder nach Texten von Reiner Kunze", reichte diese bei der Bewerbung für das Meisterstudium ein und wurde vom DDR-Kulturministerium abgelehnt. "Für Ideologieproduktion", sagt Wallmann, "war ich nicht zu gebrauchen". Elf Jahre nach Reiner Kunze, 1988, verließ auch er die DDR. Das Werk des Dichters hat Wallmann tief geprägt und jahrelang begleitet.
Zyklus "Der blaue Vogel" von Reiner Kunze
2009 wurde in Hamburg sein großer Zyklus "Der blaue Vogel" aufgeführt, "Musik im Raum für Bariton, Klavier und Streichquartett zu Gedichten, Texten und Nachdichtungen von Reiner Kunze". Eine eindrucksvoll stimmige Symbiose von Sprache und Musik, wohl auch, weil der Poet und der Komponist ähnliche Erfahrungen mit dem Obrigkeitsstaat gemacht haben. Der große sechste von 15 Sätzen erzählt vom blauen Vogel, der aus seinem Käfig entkommt.
"Kleiner vogel, flieg nicht fort,
komm herunter aus dem blau,
flieg herab, uns zu bedauern,
doch zuhaus verschweig das trauern,
das du siehst im drahtverhau."