Liv Strömquist mit neuer Graphic Novel über Schönheit
"Der Ursprung der Welt" von Liv Strömquist gehört zu den am meisten gehandelten Graphic Novels in den letzten Jahren. Mit "Im Spiegelsaal" widmet sich die schwedische Autorin jetzt dem Phänomen des Begehrens.
Eines Tages ertappt sich Liv Strömquist dabei, wieder und wieder ihr Handy in die Hand zu nehmen und nichts anderes zu tun als sich Fotos anderer Leute auf Instagram anzuschauen - und das stundenlang. "Nach einer Weile war ich so fasziniert von dieser Welt!", erklärt die Schwedin. Die Social Media App nehme einen immer größeren Teil unseres Alltags ein. Man schaue sich Fotos an und poste selbst welche, "aber man folgt eben auch anderen, Freunden und Promis, und über ihre Selfies und Fotos erlebt man mit, was sie so treiben."
Was macht den Sog dieses Bilderstroms aus? Dieser Frage geht die Autorin aus dem schwedischen Malmö "Im Spiegelsaal" auf den Grund. Und sie stellt dabei fest: Nicht nur den anderen, gerade uns selbst schauen wir besonders häufig ins Gesicht. Dies sei ein neues Phänomen. Liv Strömquist stützt ihre These auf verschiedenste Denkerinnen und Denker - auch aus der Prä-Insta-Ära. Auf die Schriftstellerin und Kritikerin Susan Sontag oder den französischen Kulturanthropologen René Girard.
Eigenes Gesicht wird in Zeiten von Social Media immer zentraler
Von deren Ideen schlägt Strömquist elegant den Bogen zu Social-Media-Promis wie Kylie Jenner. Über 277 Millionen Menschen folgen der berühmten Amerikanerin auf Instagram, schauen ihr dabei zu, wie sie im knappen Badeanzug ihren voluminösen Po in Richtung Kamera streckt. Wahrlich ein Schauspiel, das Liv Strömquist in geradezu karikaturistischen Comics nachzeichnet.
Man muss sexy sein, auch wenn man gar nicht nach Liebe sucht … weil ‚Sexyness‘ sich von der Funktion emanzipiert hat, Partner*innen anzuziehen, sondern zu einem eigenen Wert geworden ist, der den eigenen Status signalisiert, oder, sozusagen, den Marktwert. Zitat aus "Im Spiegelsaal"
Frauen entscheiden selbst über ihre Bilder und Selfies
Unter dem Druck, schön und sexy sein, sich selbst ständig optimieren zu müssen, litt schon Sissi, die damalige Kaiserin von Österreich. Deren berühmter "Spiegelsaal" gibt der neuen Graphic Novel ihren Titel. Aber in Zeiten von Social Media betrifft dieses Phänomen eben auch die breite Masse, erklärt Strömquist: "Jetzt wird einfach alles, was man erlebt - ob man sein Frühstück isst oder sich mit Freunden trifft - das alles wird dokumentiert. Und sobald es das eigene Aussehen betrifft, wählt man natürlich das beste Foto von sich selbst aus und postet das. Also alle eher unkontrollierten Schnappschüsse von einem selbst fallen weg."
Das habe nicht nur negative Seiten, so Strömquist. Denn Selfies seien auch eine Art Selbstermächtigung. So könnten Frauen heute selbst über ihre Bilder entscheiden und kein männlicher Fotograf, der sie - wie vor 70 Jahren noch im Falle Marilyn Monroes - zum Sexobjekt macht.
"Im Spiegelsaal": Liv Strömquists Blick in den Spiegel
Darf ich mich selbst schön finden? Auf vermeintliche Tabufragen wie diese geht Liv Strömquist in ihrer neuen Graphic Novel ein. Gewohnt witzig, ohne aber dabei die Ernsthaftigkeit des Themas aus den Augen zu verlieren. Denn ihre Erzählungen darüber, wie wir begehren und uns ständig selbst kontrollieren, wollen insbesondere eines schaffen: ein Bewusstsein dafür, in Sachen Äußeres auch mal einen Gang herunterzuschalten. "Das, was einen heutzutage besonders unter Druck setzt, wenn ich mich im Spiegel betrachte, hängt wahrscheinlich mit diesem Blick von außen zusammen. Dass dieses Spiegelbild immer näher rückt und man es nur selten vergisst - anstatt einfach mal das Leben zu genießen."
Im Spiegelsaal
- Seitenzahl:
- 168 Seiten
- Genre:
- Graphic Novel
- Verlag:
- Avant Verlag
- Bestellnummer:
- 978-3-96445-062-3
- Preis:
- 20,00 €
Schlagwörter zu diesem Artikel
Bildbände
