Besondere Persönlichkeiten: Graphic Novels im Oktober
Die Frankfurter Buchmesse ist vorbei. Was bleibt ist ein großer Stapel mit Neuerscheinungen - darunter sind auch viele Graphic Novels. Drei davon drehen sich um herausragende Persönlichkeiten.
Paco Roca: "Rückkehr nach Eden"
Es beginnt mit einem Foto, aufgenommen am Strand von Nazaret in der Nähe von Valencia im Jahr 1946: Vier junge Leute und eine ältere Dame sitzen um einen Bistrotisch auf Holzstühlen. Die Hitze flirrt, und die Mittagssonne knallt ihnen ins Gesicht. Die ältere Dame ist Carmen, die Mutter der vier jungen Leute. Eine davon ist Antonia, die Jüngste. Ihre Geschichte erzählt ihr Sohn Francisco José Martínez Roca.
"Rückkehr nach Eden" ist aber weit mehr als nur eine Biografie. Roca beschreibt einfühlsam die Lebensumstände der achtköpfigen Familie. Dabei entwirft er das Abbild einer Gesellschaftsschicht in der spanischen Nachkriegszeit. Eine Zeit mit Entbehrungen, Geheimnissen und Auseinandersetzungen. Etwa als Antonias Vater von der ungewollten Schwangerschaft seiner mittleren Tochter erfährt.
So schnörkellos der Erzählstil Rocas ist, so beeindruckend klar sind auch seine Zeichnungen. Sie erinnern an Hergés Tim und Struppi. Allerdings geht Roca behutsamer und weniger knallig mit der Farbauswahl um. So erscheinen die Erinnerungen mit einem matt-grünen Filter überzogen, und Bilder flirrend heißer Sommertage sind mit einer warm-beigen Glasur versehen. "Rückkehr nach Eden" ist ein berührendes Familienepos und Zeitdokument zugleich.
Jochen Voit, Sophia Hirsch: "Ernst Busch - Der letzte Prolet"
Ernst Busch hat Lieder nicht nur gesungen, er hat sie auch mit jeder Silbe in Stein gemeißelt. Seine Kraft, oft auch seine Wut, waren legendär. Grund für einen Kunststudenten in den 70er-Jahren sich der teilweise umstrittenen Person Ernst Buschs anzunehmen, um ihn zu malen. Aus diesem realen Plot heraus erzählen Busch-Biograf Jochen Voit und Illustratorin Sophia Hirsch das facettenreiche Leben des Schauspielers und Vorzeige-Proletariers in drei Akten.
In schnellen Strichen und wenig Farbe zeichnet Hirsch einen umtriebigen, der Kunst verpflichteten Mann, der sich an den Umständen seiner Zeit mit viel Leidenschaft abarbeitet, ob als junger Schauspieler in Berlin, als Frauenheld oder später als die Stimme der Arbeiterklasse in der DDR. Autor Jochen Voit beschreibt Busch vielschichtig durch die Augen seiner Weggenossen. Das Buch riecht förmlich nach Theaterschminke und dem einen oder anderen Kneipenbier. Vor allem aber ist es das gelungene Porträt eines charakterstarken Mannes, der eben mehr war als Stimme und Gesicht einer politischen Idee.
Cyril Lieron, Benoit Dahan: "Im Kopf von Sherlock Holmes"
Es ist drei Uhr morgens, wir schreiben das Jahr 1890. Ein Mann torkelt mit zerrissenem Nachthemd und einem bekleckerten Damen-Pantoffel bekleidet, dazu mit entzündeter Nase und gebrochenem Schlüsselbein, schwitzend über das Kopfsteinpflaster Londons. Er landet in der Baker Street. Für den zu Tode gelangweilten Sherlock Holmes eröffnet sich ein willkommener Fall mit irren Wendungen und chinesischem Feuerwerk.
Die beiden französischen Autoren Cyril Lieron und Benoit Dahan nehmen uns mit in den "Kopf von Sherlock Holmes". Mit unglaublicher Sorgfalt, Genauigkeit, Spaß und Witz eröffnen sie uns die riesigen Hallen des Gedankenpalasts des Meisterdetektivs. Ein sichtbar gemachter roter Faden führt kreuz und quer durch die Geschichte wie auf einer Achterbahnfahrt. Hier ist nicht nur der Geist von Sherlock Holmes ständig unterwegs, sondern auch die herausgeforderten Augen der Leserschaft.
Mit bezauberndem Strich, der an die Figuren des Animationsfilms "Mister Link" erinnert, den grafischen Tricks und dem großen Maß an Bewegung und Rhythmus ist Lieron und Dahan ein wahres Comic-Kunstwerk gelungen. Ein Kunstwerk, das einen zurückkatapultiert in die Kindheit mit all ihrer Detailverliebtheit und Entdeckerlust.