"Leben zu verkaufen" - Roman von Yukio Mishima
Der Schriftsteller Yukio Mishima war für den Literaturnobelpreis nominiert und ist in seinem Heimatland Japan ein Star. Er gilt als der erfolgreichste japanische Autor seiner Generation.
Der 1925 in Tokio geborene Yukio Mishima war nicht nur Prosaschriftsteller, Essayist, Schauspieler, Model, Filmregisseur und Lyriker, sondern auch ein Nationalist, Shintoist und Patriot, der die Liebe zum traditionellen Japan nicht nur durch sein Bekenntnis zum Kaiser (den er in seinen Schriften aber auch kritisierte und dafür ebenso kritisiert wurde) zum Ausdruck brachte. Yukio Mishima gründete eine private Miliz namens "Tatenokai", mit der er unter anderem den Kommunismus bekämpfen und das japanische Volk vor der "Entwurzelung" retten wollte.
Mishima war sehr an der europäischen Literatur interessiert. Er sah Rainer Maria Rilke, Friedrich Nietzsche, Thomas Mann oder Jean Racine als wichtige Inspirationsquellen an. Seine erste Fremdsprache war Deutsch. Als Yukio Mishimas Putschversuch gegen das japanische Militär scheiterte, begann er 1970 rituellen Selbstmord.
Der Schweizer Verlag Kein & Aber widmet sich der deutschsprachigen Neu- und Erstübersetzung von Mishimas literarischem Werk durch unterschiedliche Übersetzer und Übersetzerinnen. Nach "Bekenntnisse einer Maske" und "Der goldene Pavillon" ist im Verlag mit "Leben zu verkaufen" nun ein weiterer Roman von Yukio Mishima erschienen. Die Erstübersetzung stammt von Nora Bierich.
Der Protagonist leidet an der vermeintlichen Sinnlosigkeit seines Lebens
Hanio ist ein attraktiver junger Mann, der Ende der 1960er-Jahre in Tokyo erfolgreich in der Werbebranche arbeitet. Ihm fehlt es an Nichts, er könnte heiraten und eine Familie gründen. Doch darin sieht Hanio keinen Sinn.
Für ihn war die Welt nur noch eine mit Kakerlakenschrift bedeckte Zeitungsseite. Leseprobe
Selbstmord - ein wichtiges Thema in Mishimas Roman
Auf dieser Sinnlosigkeit jedoch basiert Hanios Denken. Paradoxerweise eröffne ihm die Sinnlosigkeit letztendlich die Freiheit, seinem Leben einen Sinn zu geben, schreibt Yukio Mishima in seinem Roman "Leben zu verkaufen", der in der letzten Schaffensphase des japanischen Schriftstellers entstand. Es ist ein reifer, mit einem weiten Themen- und Genrespektrum versehener Roman, in dem der Tod, beziehungsweise der Selbstmord eine große Rolle spielt. Nachdem Hanios Suizid gescheitert ist, entschließt er sich dazu, sein Schicksal in die Hände Anderer zu legen.
Er stellte bei einer drittklassigen Zeitung in der Rubrik Stellengesuche folgende Anzeige ein: "Leben zu verkaufen. Verfügen Sie frei über mich. Ich bin männlich, 27 Jahre alt und kann Geheimnisse wahren. Keinerlei Unannehmlichkeiten." Er fügte noch seine Adresse hinzu und befestigte an seiner Wohnungstür ein Schild, auf dem in schöner Schrift geschrieben stand: Life for Sale. Hanio Yamada. Leseprobe
Hanio überlebt sämtliche Anschläge auf sein Leben
Die Anzeige ist ein voller Erfolg. Die Leute rennen Hanio die Tür ein. So beauftragt ihn ein eifersüchtiger Ehemann, die Untreue seiner Frau nachzuweisen: Hanio solle die Ehefrau zum Liebesakt verführen, wonach sie in flagranti erwischt und umgebracht werden sollen. Doch Hanio überlebt. Nur die Ehefrau stirbt.
Wenn mich jemand sähe, würde er glauben, dies sei ein albernes Spiel, in dem ein einsamer Mensch aus seiner Einsamkeit erlöst werden möchte. Es ist schrecklich, wenn einem die Einsamkeit zum Feind wird. Ich aber habe sie mir zum Verbündeten gemacht, dachte Hanio, während er der Musik von Debussy lauschte. Leseprobe
Der in seine eigene Geschäftsidee verliebte Hanio erhält viel Geld von seinen Klienten. So heuert ihn eine Bibliothekarin als Versuchskaninchen an, wobei sein möglicher Tod mit zum Auftrag gehört. Hanio wird dabei plötzlich zur Zielscheibe von Geheimdiensten und wird als Spion angeheuert. Er überlebt trotzdem.
Sein Leben zu verkaufen, war eine fantastische Methode, um keinerlei Verantwortung übernehmen zu müssen. Leseprobe
Bizarres und Märchenhaftes liegen nach beieinander
Unter Hanios Kundschaft befindet sich auch eine Frau, die jeden Tag von seinem Blut trinkt, da sie an einer Anämie leidet. Das Zerkauen von Karotten erweist sich für Hanio als wichtige Überlebensstrategie, um einer Vergiftung zu entkommen.
In Yukio Mishimas Roman liegt das Bizarre nah am Märchenhaften. An manchen Stellen liest sich die Geschichte wie ein japanischer Yakuza- Film. Das Liebesthema schwebt über allem und führt Hanio eines Tages zu Reiko. Durch die Begegnung mit ihr beginnt Hanio, allmählich an seiner Verkaufsmethode zu zweifeln. Zumal Reiko ihm etwas vormacht.
"Verstehst du mich, Reiko? Niemand ist unglücklicher als die Menschen, die anderen ihr Leben abkaufen. Sie stehen am Abgrund ihres Lebens. Deswegen habe ich mir mein Leben auch gern von ihnen abkaufen lassen. Aber eine Frau, die nicht wirklich in einer Sackgasse steckt, hat nicht das Recht, mein Leben zu kaufen." Leseprobe
Ein Mensch zwischen Selbst- und Fremdbestimmtheit
Yukio Mishimas Roman ist ein fein collagierter Text, der seine einzelnen Elemente kunstvoll ineinander webt. In "Leben zu verkaufen" treffen Thriller, Märchen, Spionagestory, Dekadenz und Existentialismus aufeinander. Dabei versteht es Mishima, die vielen humorvollen Szenen und Dialoge immer wieder auf bestimmte Spannungsfelder zulaufen zu lassen.
Der Mensch ist ständig hin und her gerissen zwischen Selbstbestimmtheit und Fremdbestimmtheit und versucht seinem gesellschaftlich bedingten Pflichtgefühl nachzugehen, während die alleinige Verpflichtung gegenüber den eigenen Bedürfnissen parallel darauf wartet, erfüllt zu werden.
Leben zu verkaufen
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Japanischen von Nora Bierich
- Verlag:
- Kein & Aber
- Bestellnummer:
- 978-3-0369-5824-8
- Preis:
- 22 €