Stand: 18.07.2020 06:00 Uhr

Bildband zeigt Werk des Malers Karl Hagemeister

von Annkathrin Bornholdt

Werder, Ferch und Geltow - die Orte kennen Sie nicht? Sollten Sie aber. Denn dort liegen die Wurzeln der modernen Landschaftsmalerei. In diesen urwüchsigen, brandenburgischen Dörfern rund um den Schwielowsee südwestlich von Potsdam war der Maler Karl Hagemeister zu Hause. Jahrzehntelang schuf der Künstler hier seine eindrucksvollen Naturdarstellungen. Und sorgte so dafür, dass die Wiege des deutschen Impressionismus in der Märkischen Landschaft im Brandenburgischen zu finden ist. Ein Bildband lädt jetzt dazu ein, Karl Hagemeister und sein Werk näher kennenzulernen.

Fotografie von Karl Hagemeister (draußen mit Gemälde "Verschneiter Birkenwald"), um 1891/92 © Archiv Bröhan Museum Foto: Hermann Hirzel
Karl Hagemeister malte im Freien und ließ sich auch von Eis und Schnee nicht aufhalten (Gemälde "Verschneiter Birkenwald", um 1891/92)

Umpeitscht von Wind und Wetter steht an seiner Staffelei ein Künstler: gehüllt in einen schweren Mantel mit einer wuchtigen Fellmütze auf dem Kopf, den Pinsel in der Hand, das vollbärtige Gesicht auf die Brandung gerichtet. So muss man sich Karl Hagemeister vorstellen. Sein Atelier war die Natur. Nur hier - allen Unwägbarkeiten ausgesetzt - konnte er sie so malen, wie er sie empfand:

"Wer Landschaften malt, muß sich aufhalten, wo die Landschaft ist, wer Prinzessinen malt, muß dort sein, wo die Prinzessinnen sind" Karl Hagemeister

Das war bis zuletzt sein Credo, vor allem als in seinen späten Schaffensjahren zwischen 1907 und 1915 die eindrucksvollen Meeres- und Küstenbilder auf Rügen entstanden. Da sieht man, wie Brandungswellen an dunklen Felsen zerbrechen und unzählige Schaumtropfen in alle Richtungen fliegen, wie der Wind durch die zierlichen Seedorn-Zweige fegt, Laub aufwirbelt und alles mit seinem ganz eigenen Rhythmus mitreißt.

"Er verstand sich auf die graphischen Strukturen, die bewegtes Wasser an der Oberfläche bildet, ebenso wie auf die Lichtereignisse und Schattentiefen, die der Himmel dorthin projiziert. […] Es geht darum, das Element herauszufordern und zu begreifen, in der Lust und in der Gefahr einer unmittelbaren Berührung." Leseprobe

So beschreibt es Katrin Arrieta, die künstlerische Leiterin des Kunstmuseums Ahrenshoop, in ihrem Artikel über das Spätwerk Hagemeisters.

Hagemeisters Hingabe an die Natur

In seiner unbedingten Hingabe an die Natur sucht Hagemeister unter den deutschen Impressionisten seinesgleichen. 1848 als Sohn eines Obstzüchterpaares im brandenburgischen Dorf Werder geboren, wird er zunächst Volksschullehrer in Berlin und wechselt dann 1871 als Schüler von Friedrich Preller der Ältere an die Hochschule für Bildende Kunst in Weimar. Sein Lehrer ermuntert ihn zum Naturstudium und ist ein Gegner der Akademisierung der Kunst.

Hagemeister ist von da an viel in Europa unterwegs, besucht Ausstellungen, lässt sich von französischen, aber auch japanischen Künstlern inspirieren, steht im Austausch mit dem Wiener Maler Carl Schuch und kehrt dann doch langfristig an den Schwielowsee zurück. Als Kunsteremit und malender Naturbursche widmet er sich in Pastellen und Ölgemälden ganz und gar seiner Heimat.

Es kommt auf die Nuancen an

Ein Pastell von 1905 zeigt die winterliche Havel. Die flache Ebene bietet auf den ersten Blick nicht viel zu entdecken, ein paar Bäume, etwas vereistes Wasser, grauer Himmel - doch Karl Hagemeister kommt es auf die feinsten Nuancen an, schreibt Kuratorin am Museum Potsdam Hendrikje Warmt:

"Die im Vordergrund vereiste Wasserebene lenkt die Sicht des Betrachters in die Ferne, und nur schemenhaft wachsen Bäume am Horizont empor, mit grau-blauen Kreiden zart angedeutet und zu großen Farbflächen ineinander verwoben. Die Wetter- und Lichtsituation lassen die klirrend kalte Luft erahnen, […] In lichten gelb-rosa Tönen öffnet sich der Himmel und verweist auf die unendliche Weite der Landschaft." Leseprobe

Die Jahreszeiten in einem ganz besonderen Licht

Seerosen auf dem Wasser, Birken im Schilf, auffliegende Stockenten, verschneite Bauernhäuser, immer wieder Wiesen, Bäume und Seen - es sind Motive aus allen Jahreszeiten. Während in seinen früheren von den französischen Impressionisten inspirierten Werken, noch das flächige, tupfenhafte Malen dominiert, wird Hagemeister in den 1890er-Jahren präziser, seine Kreide- und Pinselführung zeugt von Einflüssen durch die Kalligrafie. Immer aber ist es das ganz besondere Licht, das er wie kaum ein anderer einfängt:

"Ich erkannte, daß nicht die Tonigkeit die Hauptsache für die Bilder sei, sondern das Licht, das ewig wechselt." Karl Hagemeister

Auch eines dieser Credos von Karl Hagemeister, dessen umfangreiches Werk und interessante Lebensgeschichte man in den Bildern und Aufsätzen dieses Bandes mit Freude und Begeisterung entdeckt.

Bis Anfang September sind Hagemeisters Bilder im Potsdam Museum zu sehen. Danach wandert die Ausstellung weiter nach Schweinfurt und ins Kunstmuseum Ahrenshoop; dort wird die Ausstellung voraussichtlich ab April 2021 gezeigt.

Karl Hagemeister - Das Licht, das ewig wechselt

von Jutta Götzmann, Hendrikje Warmt, Kunstmuseum Ahrenshoop, Museum Georg Schäfer, Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte.
Seitenzahl:
256 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Beiträge von Jutta Götzmann, Hendrikje Warmt, Katrin Arrieta, Roland Dorn, Karin Rhein, Oliver Max Wenske. Hardcover, 165 farbige und zwölf schwarz-weiße Abbildungen.
Verlag:
Wienand
Bestellnummer:
978-3-86832-558-4
Preis:
34 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 19.07.2020 | 16:20 Uhr

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