Jugendroman "Oracle": Spannung von der ersten bis zur letzten Seite
"Oracle" ist in Figurenzeichnung und Handlung vielleicht nicht ganz so komplex wie andere Romane von Ursula Poznanski, aber ihr Schreibstil ist gewohnt packend und unterhaltsam.
Die österreichische Schriftstellerin Ursula Poznanski ist eine der ganz Großen der Jugendliteratur. Für ihren Thriller "Erebos" erhielt sie den Deutschen Jugendliteraturpreis der Jugendjury, auch andere ihrer Bücher waren sehr erfolgreich. In ihrem neuen Thriller, geeignet für Leserinnen und Leser ab 14 Jahren, geht es um das Dilemma eines modernen Orakels.
Angsteinflößende Visionen
Eigentlich läuft es ganz gut für Julian. Er hat gerade Abi gemacht und bei seinen Eltern durchgesetzt, dass er zu Hause ausziehen und ein Zimmer im Studentenwohnheim nehmen darf. Selbstverständlich war das nicht, denn Julian hat viele Jahre Therapie hinter sich. Als Kind litt er unter Visionen, bei denen beispielsweise seine Mitschüler eine Art Marker trugen, die ihn in Angst und Schrecken versetzten:
Wie zum Beispiel Verena, die er nie zur Gänze gesehen hatte. Nur von der Gürtellinie abwärts, der Rest war hinter einer wabernden roten Wolke verborgen gewesen, einem verschmierten Etwas, auf dem sie gewissermaßen dahingeschwebt war. Oder Lars, aus dessen Augen ebenso viel weißer Nebel gequollen war wie Gemeinheiten aus seinem Mund. Hanno, mit dem schwarzen Keil, der die Mitte seines Gesichts verbarg und seinen Brustkorb zu spalten schien. Leseprobe
Seit einigen Jahren nimmt Julian Tabletten gegen die Visionen und seitdem sind sie zwar verschwunden, aber er ist noch immer sehr unsicher im Umgang mit fremden Leuten. Im Wohnheim lernt er Robin kennen, mit dem er sich anfreundet und der ihn irgendwann überredet, die Tabletten abzusetzen.
Ursula Poznanski verzichtet auf pädagogischen Ansatz
Ursula Poznanskis Bücher sind Bestseller, von ihren Fans wird sie verehrt, bei Lesungen muss sie unendlich viele Autogramm-Wünsche erfüllen. Sie trifft den Nerv ihrer jungen Leserinnen und Leser. Sicher auch, weil sie komplett auf einen pädagogischen Ansatz verzichtet, wie sie im NDR Kultur Podcast eat.READ.sleep erzählte: "Ich kann mich noch erinnern, als ich im Zielgruppenalter war, waren das bei mir die Bücher, die sofort immer unten durch waren. Ich finde es immer besser, wenn ich Fragen in den Raum stelle, auf die ich auch selber meistens überhaupt keine Antwort habe. Also, ich freue mich, wenn es zum Nachdenken führt. Wenn jemand aber auch nur eine spannende Geschichte lesen will, bin ich auch zufrieden."
Kann Julian die Zukunft vorhersagen?
Spannend ist "Oracle" definitiv. Nachdem Julian die Tabletten abgesetzt hat, kehren die Marker zurück. Und er erfährt, dass frühere Visionen wahr geworden sind. So sitzt Verena, deren Beine hinter der wabernden Wolke verschwunden waren, nach einem Unfall im Rollstuhl. Kann Julian also die Zukunft vorhersagen? Kann er somit auch Unglücke verhindern? Und muss er das dann nicht auch tun? Wenn er beispielsweise einen Marker bei seiner Therapeutin entdeckt:
Schmal und dunkel zog der Marker sich über ihren Hinterkopf, mehr ein Strich als ein Balken, nicht länger als fünfzehn Zentimeter. Das Erste, woran Julian dachte, war ein Axthieb. Eine Klinge, die den Schädel spaltete, aber das war Wahnsinn, oder? Leseprobe
Julian fühlt, dass seine Therapeutin in großer Gefahr schwebt und er handeln muss. Und auch an seinen Mitbewohnern im Studentenheim tauchen immer dringlichere Marker auf. Julian befürchtet eine Katastrophe, aber niemand glaubt ihm.
"Oracle": Klare Leseempfehlung!
Ursula Poznanski hat es wieder getan: einen Thriller geschrieben, der die Spannung von der ersten bis zur letzten Seite hält. "Oracle" ist in Figurenzeichnung und Handlung vielleicht nicht ganz so komplex wie andere Romane der Autorin, aber ihr Schreibstil ist gewohnt packend und unterhaltsam. Ganz klare Leseempfehlung!
Oracle
- Seitenzahl:
- 432 Seiten
- Genre:
- Kinderbuch
- Zusatzinfo:
- ab 14 Jahren
- Verlag:
- Loewe
- Bestellnummer:
- 978-3-7432-1658-7
- Preis:
- 22 €